KARL LAMPRECHTS GESCHICHTSTHEORIE UND DIE KUNSTGESCHICHTE. 361
mentlich des römischen Altertums ihm dienlich erscheint für die
Förderung der eigenen, in verwandten Bahnen verlaufenden Geschicke,
und unmittelbar vor allem wirken die klassischen Autoren, wie die
Denkmäler antiker und antikisierender Kunst, als erziehende Mächte
höherer Bildung«1). So groß die allgemeinen Wirkungen der italieni-
schen Renaissance in Deutschland auch seien, meint er an einer an-
deren Stelle-), so seien sie doch nur sekundärer Art, sie griffen nur
ändernd, genauer bestimmend, drohend unter Umständen und warnend
in die individualistische Bewegung der Nation ein, die längst im Flusse
war1). —
Neben solchen einigermaßen gesicherten empirischen Erkenntnissen
steht nun aber eine Reihe von zum großen Teil noch ungeklärten
Problemen künftiger Lösung bereit: die Frage nach den Wegen, die
solche Einflüsse nehmen; nach den Gefäßen, die sie vermitteln, den
sachlichen und persönlichen Trägern, der Dauer und Kontinuität; nach
dem Ausbreitungsraum des fremden Kulturgutes, dem Zeitmaße der
Übertragungseinflüsse, vor allem aber der seelischen Wirkung in der
aufnehmenden Gemeinschaft1). Untersuchungen einer »Typik äußerer
Einflüsse«, die — das ist ohne weiteres erkennbar — an der Lipps-
schen Individualpsychologie orientiert-), daher als schon deduktiv
beweisbar angenommen und breiter historischer Empirie gleichsam
nur nachträglich zur Bestätigung überwiesen werden.
Weit selbständiger erscheint Lamprechts Gedankengang in der Er-
örterung über die Elemente fremder Kulturen, die, am leiohte-
sten übertragbar durch Räume und Zeiten, schon deshalb bei solchem
weltgeschichtlichen Austausch als die eigentlichen Träger und
Mittler fremden Kulturguts erscheinen müssen. Es sind die
»flüssigen, gleichsam erdleichten Elemente ... die Elemente höchster
geistiger Betätigung, die Elemente der Sittlichkeit und Religion, der
Kunst, der Dichtung und der Wissenschaft«; unter ihnen aber domi-
nieren wieder »die Tatsachen und Vorgänge auf dem Gebiete der
reinsten Phantasietätigkeit, der Dichtung, der Musik und namentlich
der bildenden Kunst«e); sie sind es, die in typischen Übergangszeit-
altern vor allem die größte Bedeutung gewinnen, die Wehen und
Leiden abzukürzen und der neuen Dominante des Seelenlebens am
ehesten zum Durchbruch zu verhelfen vermögen.
') D. G. V, 7. ") Ibid. 162.
3) Solche und ähnliche Stellen seien den modischen Renaissancemördem von
heute zur Beachtung empfohlen.
4) Ich benutze fast durchweg hier L.s eigene Formulierung.
h) S. vor allem Mod. Gesch. S. 114 f.
c) Ebenda S. 118 f. Vgl. darüber unten S. 366 ff.
mentlich des römischen Altertums ihm dienlich erscheint für die
Förderung der eigenen, in verwandten Bahnen verlaufenden Geschicke,
und unmittelbar vor allem wirken die klassischen Autoren, wie die
Denkmäler antiker und antikisierender Kunst, als erziehende Mächte
höherer Bildung«1). So groß die allgemeinen Wirkungen der italieni-
schen Renaissance in Deutschland auch seien, meint er an einer an-
deren Stelle-), so seien sie doch nur sekundärer Art, sie griffen nur
ändernd, genauer bestimmend, drohend unter Umständen und warnend
in die individualistische Bewegung der Nation ein, die längst im Flusse
war1). —
Neben solchen einigermaßen gesicherten empirischen Erkenntnissen
steht nun aber eine Reihe von zum großen Teil noch ungeklärten
Problemen künftiger Lösung bereit: die Frage nach den Wegen, die
solche Einflüsse nehmen; nach den Gefäßen, die sie vermitteln, den
sachlichen und persönlichen Trägern, der Dauer und Kontinuität; nach
dem Ausbreitungsraum des fremden Kulturgutes, dem Zeitmaße der
Übertragungseinflüsse, vor allem aber der seelischen Wirkung in der
aufnehmenden Gemeinschaft1). Untersuchungen einer »Typik äußerer
Einflüsse«, die — das ist ohne weiteres erkennbar — an der Lipps-
schen Individualpsychologie orientiert-), daher als schon deduktiv
beweisbar angenommen und breiter historischer Empirie gleichsam
nur nachträglich zur Bestätigung überwiesen werden.
Weit selbständiger erscheint Lamprechts Gedankengang in der Er-
örterung über die Elemente fremder Kulturen, die, am leiohte-
sten übertragbar durch Räume und Zeiten, schon deshalb bei solchem
weltgeschichtlichen Austausch als die eigentlichen Träger und
Mittler fremden Kulturguts erscheinen müssen. Es sind die
»flüssigen, gleichsam erdleichten Elemente ... die Elemente höchster
geistiger Betätigung, die Elemente der Sittlichkeit und Religion, der
Kunst, der Dichtung und der Wissenschaft«; unter ihnen aber domi-
nieren wieder »die Tatsachen und Vorgänge auf dem Gebiete der
reinsten Phantasietätigkeit, der Dichtung, der Musik und namentlich
der bildenden Kunst«e); sie sind es, die in typischen Übergangszeit-
altern vor allem die größte Bedeutung gewinnen, die Wehen und
Leiden abzukürzen und der neuen Dominante des Seelenlebens am
ehesten zum Durchbruch zu verhelfen vermögen.
') D. G. V, 7. ") Ibid. 162.
3) Solche und ähnliche Stellen seien den modischen Renaissancemördem von
heute zur Beachtung empfohlen.
4) Ich benutze fast durchweg hier L.s eigene Formulierung.
h) S. vor allem Mod. Gesch. S. 114 f.
c) Ebenda S. 118 f. Vgl. darüber unten S. 366 ff.