Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 23.1929

DOI article:
Besprechungen
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14175#0101
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
BESPRECHUNGEN.

87

Endes die Betrachtung, wie der Untertitel ausspricht. Nicht als eine das nationale
Kunstwollen der romanischen Vorrenaissance in der Richtung auf die Frührenais-
sance hemmende Unterbrechung der Entwicklung ist die italienische Gotik aufzu-
fassen, sondern als eine sich mit dem Lebensgefühl der Zeit aufs innigste ver-
bindende, von ihm getragene Gestaltungsweise. Ihre künstlerischen Triebkräfte sucht
der Verfasser an der Reihe der Hauptdenkmäler aus dem Zeitalter Dantes aufzu-
zeigen, und zwar als dieselben, die in seiner Dichtung wirken. Die zeitliche Be-
grenzung des Stoffes fällt daher weder mit seiner Lebens-, noch mit seiner Wir-
kungszeit im weiteren Sinne, die ja bis in das Cinquecento hineinreicht, zusammen,
sondern umfaßt ungefähr ein fünfviertel Jahrhundert, innerhalb dessen die Anfangs-
punkte für die einzelnen Künste durch das Einsetzen gotischer Gestaltung und
Formensprache bedingt und darum beträchtlich auseinandergerückt erscheinen, —
etwa den Zeitraum von 1250—1375 u. Z. Aus dem Gesagten geht zugleich hervor,
daß es sich hier nicht um die Spiegelung der Divina Commedia selbst in der bilden-
den Kunst handelt, wie man voreilig aus dem Titel schließen könnte. Die Frage-
stellung richtet sich vielmehr allein auf das Gemeinsame der künstlerischen Ge-
staltung der Zeit mit der dichterischen, als deren bahnbrechender schöpferischer
Vertreter Dante dasteht. Die kunstgeschichtliche Betrachtung erweitert sich also
einerseits zur formal-ästhetischen, andererseits zur geistes- (bzw. kulturgeschicht-
lichen, was eine eingehende Berichterstattung an dieser Stelle besonders erwünscht
macht. Kommt doch eine solche Darstellung dem brennenden Verlangen der
Gegenwart nach tieferem Verständnis des Geisteslebens vergangener Zeitalter ent-
gegen. Das erfordert freilich, was ihr gerade unendlich schwer wird, — den Ver-
zicht, das eigene Lebensgefühl in die Denkmäler der Vergangenheit hineinlegen zu
wollen. Nur wer mit solcher Selbstentäußerung dem Führer willig zu folgen bereit
ist, wird mit ihm in lebendiger Einfühlung das Kunstwollen der Zeit und seine
Wandlungen verstehen lernen.

Die Einheit der räumlichen Anschauungsform der bildenden Künste und der
zeitlichen Darstellungsweise der Dichtung ergibt sich nach Schmarsow aus der
(schon von Burckhardt erkannten) poetischen Durchdringung des überlieferten Bild-
stoffes und seiner dadurch angeregten Neugestaltung im Zeitalter Dantes. Die
Bildphantasie des erzählenden Künstlers arbeitet nach dem gleichen Gesetz der
zeitlichen Folge der Handlung, wie die des Dichters, und lt'ßt den Raum erst aus
der Anordnung ihrer Träger, d. h. der menschlichen Gestalten mit dem erforder-
lichen Beiwerk entstehen. So wird für sie wie in dem Versbau die zwei- und drei-
gliedrige Zusammensetzung des Ganzen mit leeren oder gefüllten Schalträumen
(Pausen oder Sperrzeichen) und für seine Ablesung wie in der Buchkunst die
rechtsläufige Richtung maßgebend. Indem sie sich aber mit dem ihr aus der Raum-
gestaltung der gotischen Architektur aufgezwungenen Höhendrang verbindet, kehrt
sich die frühere Anordnung der Bildstreifen um und wird zum Aufstieg von
unten nach oben. Darin bewährt sich die von Schmarsow immer betonte, das ganze
Mittelalter beherrschende Wechselbeziehung zwischen Baukunst und Dichtung. Sie
läßt die darstellenden Künste niemals zur bloßen Illustration herabsinken, — sie
hebt sie vielmehr, wie ich im entwicklungsgeschichtlichen Sinne sagen würde, aus
dieser heraus, was im Grunde dasselbe ist. In keinem Falle durfte daher die Archi-
tektur aus der Wesensbestimmung der Kunst des Trecento ausgeschlossen werden,
weil die Dichtung ihrerseits nur auf Malerei und Flastik unmittelbar ein- (bzw.
zurück-) zu wirken vermag.

Daß die Würdigung der großen Kunstschöpfungen des Zeitalters unter den
oben aufgestellten leitenden Gesichtspunkten gleichwohl nicht mit den Baudenk-
 
Annotationen