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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 23.1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.14175#0117
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BESPRECHUNGEN.

103

sowohl in ihrer Bildgestaltung wie in ihrer Raumgestaltung ansieht, denn die erstere
ist ja noch überwiegend Flächen(bzw. Relief-)komposition mit Knüpfung der Be-
ziehungen von Figur zu Figur. Zwei Einschränkungen sind aber zu machen, wie
wir gesehen haben. Die überlieferten älteren Bildtypen fügen sich nicht völlig der
Rhythmisierung (bei Duccio), und mit dieser kreuzt sich bereits der neue Gestal-
tungstrieb der Erschließung der Tiefe. Giotto gelingt noch der Ausgleich, aber
schon in seiner Schule beginnt die Auflösung der Flächenkomposition so gut wie bei
Ambrogio Lorenzetti. Wer aber deswegen die Geltung des rhythmischen Gestaltungs-
gesetzes überhaupt bezweifeln wollte, vergäße, daß ein solches sich nirgends ratio-
nal verwirklicht, — es sei denn in der Architektur, wo es auch am klarsten zutage
tritt. Sein Vorhandensein als wirkende Triebkraft bleibt gleichwohl unverkennbar.
Das Bemühen um ihren Nachweis zieht sich als roter Faden durch das ganze Buch,
und ihn überall bloßzulegen, mußte hier meine Hauptaufgabe sein. Aber man
würde irren, wenn man an dasselbe in der Erwartung herantreten zu müssen
glaubte, eine dürre Aufrechnung der formalen Struktur der Kunstwerke vor sich
zu haben. Diese ist nur in die Betrachtung eingeflochten, die ganz auf das Nach-
erleben durch geduldige Versenkung in den Vorstellungs- und Gefühlsgehalt der
Denkmäler gerichtet ist. In fein berechnetem Aufbau steigt sie von dem einleiten-
den Kapitel der Pisaner Plastik über die Architektur zu den Kompositionsgesetzen
der Bilderzyklen auf. Auch kunstgeschichtliche Streitfragen über ihre Entste-
hungszeit oder die Urheberschaft an ihnen werden mehr nebenher erledigt, und es
kommt wenig darauf an, ob in jedem Falle die endgültige Lösung gefunden ist.
Hauptsache bleibt die beschreibende Durchdringung der Darstellung in unmittel-
barer Anschauung. Ohne diese kann sie auch den aufmerksamen Leser vielleicht
ermüden. Die reichliche Auswahl der Abbildungen aller Hauptdenkmäler in dem
zugehörigen Tafelbande kann solchem Bedürfnis noch nicht vollkommen genügen.
Man wird gut tun, die photographischen Aufnahmen immer zur Hand zu haben.
Dann wird die Vertiefung in das Kunstwerk unter der Leitung des kundigen
Führers zu hohem Genuß durch das Eindringen in das in ihnen beschlossene
Lebensgefühl der Zeit, von dem die flüchtige genießerische Betrachtungsweise des
subjektiven Kunstempfindens meilenweit entfernt bleibt. Manche Abschnitte kom-
men in der dichterischen Wärme des Nacherlebens Goethes Kunstaufsätzen ganz
nahe, vor allem die Würdigung der Baptisteriumstür des Andrea Pisano. Und ein
klassisches Gepräge trägt auch die Sprache. Freilich kommt sie dem Leser nicht
mit leichtem Geplätscher oder schäumenden Sturzwellen entgegen wie bei geistreich
sein wollenden neueren Kunstschriftstellern, sondern fließt in breitem Strom dahin,
von dem er sich tragen lassen muß. Sie hat Fülle und schöpferische Ausdruckskraft
ohne Glanzlichter, weil sie immer aus der inneren Anschauung quillt. Geistige
Spannkraft aber muß der Leser besitzen, der den Inhalt des Buches ausschöpfen
will. Es wird ihm reiche Belehrung bringen, mag es der ansehende Jünger der
Kunstwissenschaft oder Kunstfreund sein, der sich auf die Besichtigung der Denk-
mäler des Trecento in Italien geistig vorbereitet, oder der Hochschullehrer, der sich
von ihrer stilkritischen Beurteilung zur tieferen Erkenntnis des Kunstwollens der
Zeit erheben will.

Berlin. O. Wulff.

Julius Petersen. Die Wesensbestimmung der deutschen Ro-
mantik. Eine Einführung in die moderne Literaturwissenschaft. Leipzig 1926.
Quelle & Meyer. IX und 203 S. Gebunden 8 Mk.
Der bekannte Berliner Literarhistoriker J. Petersen hat in dem vorliegenden

Buche den Versuch einer „Wesensbestimmung der deutschen Romantik" unternom-
 
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