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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 23.1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.14175#0122
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BESPRECHUNGEN.

letzt dadurch aus, daß sie mit voller Energie die Problematik der gegenwärtigen
Literaturwissenschaft aufgreift und im Gegensatz zu manchen Fachgenossen der
unleugbaren Krisis dieser Disziplin mit vollem Bewußtsein gegenübersteht. Er
beklagt auch nicht die gegenwärtige Trübung der methodischen Sicherheit in der
Literaturwissenschaft als Verlust einer goldenen Zeit, sondern er erblickt gerade
in der Fülle der mannigfaltigen, miteinander ringenden Standpunkte deutliche
Symptome eines erstarkenden Bewußtseins und eines Erwachens zu neuem schöpfe-
rischen Leben. In dieser Überzeugung einer neuen Wendung im gegenwärtigen
Geistesleben darf sich der Autor mit zahlreichen Vertretern der neuen Generation
einig wissen.

Heidelberg. Hans R. G. Günther.

Paul Zincke: Paul Heyses Novellen-Technik. Dargestellt auf
Grund einer Untersuchung der Novelle „Zwei Gefangene". Karlsruhe, Gutsch,
1927. 278 S.

Die vorliegende, Max Dessoir gewidmete Schrift verfolgt bewußt ein drei-
faches Ziel. Sie will erstens der Kenntnis Heyses dienen, zweitens in der Novelle
Heyses einen bestimmten Novellentypus kennzeichnen und drittens eine neue Methode
aufstellen und bewähren, überhaupt Dichtung kunstwissenschaftlich zu erfassen. In
allen drei Rücksichten ist sie verdienstvoll, wenn ihr auch meines Erachtens nicht
ganz die Ausnahmestellung zukommt, die ihr Verfasser ihr beilegt.

Ganz vorzüglich ist die viel- und feingliedrige Analyse der als Beispiel gewähl-
ten Heyseschen Novelle. Hier ist mit einem wirklich ungewöhnlichen Maße von
nachfühlendem Verständnis das konstruktive Kräftespiel einer Dichtung nach allen
erdenklichen Gesichtspunkten bloßgelegt, sodaß der Leser in den Stand gesetzt
wird, ihren auch noch so versteckten Absichten nachzugehen. Auf Heraushebung
von Einzelheiten verzichte ich, weil Zincke alle in Betracht kommenden Momente mit
annähernd gleicher Liebe und Sorgfalt behandelt hat und weil diese Momente das
Wesen der behandelten Heyseschen Novelle in der Tat erschöpfend klarlegen. Und
doch liegt im Vorteil dieser Behandlungsweise zugleich auch ein Nachteil. Würde
der Verfasser aus der Analyse dieser einzelnen Novelle unmittelbar Betrachtungen
über diesen Novellentypus herleiten, so wäre die Darstellungsweise allerdings
folgerichtig geschlossen. Es schiebt sich ihm jedoch — menschlich gewiß verständ-
lich — die Absicht ein, durch die Erforschung dieser einen Novelle Heyses zu-
gleich Gewinn zu ziehen für eine Erkenntnis von Heyses Novellentechnik überhaupt.
Dadurch kommt nun aber ein gewisser Zwiespalt in Z.'s Fragestellung; sein
Streben vom Einzelfall ins Allgemeine grundsätzlicher kunstwissenschaftlicher
Probleme will nicht zusammenstimmen mit seiner Absicht, an diesem Einzelfall
zugleich Heyses Novellentechnik überhaupt, oder zumindest in wesentlich typischen
Zügen, wie es der Haupttitel seines Buches ja ankündigt, zu kennzeichnen. Beides
sind eben im Grunde zwei völlig verschiedenartige Aufgaben, und ihre Scheidung,
die Fernhaltung einer von ihnen, hätte Z.'s Darstellung zweifellos zum Nutzen
gereicht. Nun verwahrt sich zwar Z. dagegen, etwa eine Entwicklungsgeschichte
von Heyses Novellentechnik geben zu wollen: behandeln wolle er nur „die Novellen-
Technik dieses Dichters in einem bestimmten Zeitpunkt" und „mit bewußter
Ablehnung der Herübernahme von Erörterungen über technische Abweichungen in
den früheren Novellen Heyses", doch ergeben sich abgesehen von dem in diesem
Fall irreführenden Haupttitel der Schrift trotz oder gerade wegen dieser Ein-
 
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