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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 23.1929

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Biehle, Herbert: Die antike Stimmkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.14175#0297
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BEMERKUNGEN.

283

Namen des Dichters ohne Zusammenhang mit dem Gegenstand des Stückesi).
Über den Vortrag der Parabase in ihren einzelnen Teilen herrschen noch Zweifel.

3. Die Stasima: meist Spottlieder auf Personen oder Loblieder auf die Götter,
mit Tanz.

4. Die Exodos: vom Gesamtchor gesungen mit Tanz.

Im Anfang der römischen Tragödiez) wechselten gesprochene Szenen mit
Gesangspartien (cantica) in bewegteren Rhythmen. Ober den Vortrag dieser
Cantica berichtet Livius: da er durch öftere Dacaporufe der Zuhörer zu mehr-
facher Wiederholung seiner Gesänge genötigt wurde und dadurch seine Stimme
allzu sehr abnutzen mußte, so erwirkte er sich die Erlaubnis, einen Knaben zum
Singen vor den Flötenbläser zu stellen, während er selbst mit um so lebhafterer
Aktion den Text mimisch darstellte. Seitdem ist es Sitte geworden, daß der Gesang,
vorgetragen durch den Cantor, die Darstellung der Schauspieler begleitete und ihrer
Stimme nur die deverbia (gesprochene Szenen) überlassen blieben. Hieraus ist zu
schließen, daß jene seltsame Teilung zwischen Gesang und Bewegung jedenfalls
noch in späterer Zeit als Regel bestand.

Der Begriff des canticum als einer Gesangspartie ist von den alten Theoretikern
bald in engerem, bald in weiterem Sinne gefaßt worden-'). Während die Bezeich-
nungen in den Pfälzer Handschriften des Plautus alles unter diese Gattung zu
rechnen scheinen, was nicht ohne jedes musikalische Element einfach gesprochen
wurde, verstand z. B. Livius an der bekannten Stelle über Livius Andronicus
(VII, 2) darunter nur Monodien, die von dem Schauspieler in mimischer Aktion dar-
gestellt, von einem ihm beigegebenen Sänger aber zur Begleitung der Flöte vor-
getragen wurden. Denn undenkbar wäre ja, daß in einer von drei oder vier Per-
sonen gespielten Septenar- oder Oktonarszene neben dem stumm agierenden Schau-
spieler ebensoviel cantores gesungen haben sollten, oder daß gar ein einzelner cantor
verschiedene, rasch wechselnde Rollen vorgetragen hätte. Also ist die Bestimmung
des Diomedes, in den cantica (im engeren Sinne) dürfe nur eine Person auftreten,
oder wenn zwei, so dürfe die andere Person nur aus dem Hintergrunde zuhören
und nur für sich hier und da ein Wort sagen, in den angedeuteten Grenzen gewiß
richtig und vielleicht zunächst der Praxis der Tragödie entnommen.

Das römische Publikum verlangte von den Schauspielern eine vollkommene
Reinheit der Stimme4). Dem Redner gegenüber waren die Zuhörer nicht so
streng wie gegenüber den Bühnenkünstlern. Die Stimme der Schauspieler galt hier
als etwas ganz Musterhaftes. Vom Tragöden wurde vor allem eine klare, sonore
Stimme von metallenem Klange gefordert. Sie mußte durch methodische Schulung
gewonnen werden. Das Tremulieren mit erhobenen Händen bei Ermahnungen (wie
früher im Affekt auch bei italienischen und französischen Schauspielern üblich)
wird als eine Sitte bezeichnet, die aus fremden Schulen eingeführt sei. Am meisten
wurden die Stimmen bei den tragischen Schauspielern gepriesen. Eine vox tragoe-
dorum wird von Cicero für den idealen Redner verlangt und Aesop als der
berühmteste Tragöde seiner Zeit genannt. Roscius, der über eine mächtige, wohl-
tönende Stimme verfügte, hat eine Schrift hinterlassen, worin die Schauspielkunst
mit der rednerischen verglichen wird. Cicero, dem Roscius als hervorragendster
Vertreter der Schauspielkunst galt, hat möglicherweise dessen Schrift benutzt. Bei

1) Schlegel, a. a. O. S. 133.

2) Otto Ribbeck, Die römische Tragödie. Leipzig 1875, S. 24.
s) Ribbeck, a. a. O. S. 634.

*) Boris Warnecke, Die Vortragskunst der römischen Schauspieler, Neues
Jahrbuch für das klassische Altertum, 1908.
 
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