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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 23.1929

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Biehle, Herbert: Die antike Stimmkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.14175#0296
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BEMERKUNGEN.

die modernen Coupletsänger, die oft zur Begleitung nur sprechen. Die Parakataloge
kamen auch in die Tragödie.

Später wendete sich der Gesang einer reicheren Ausgestaltung der Ge-
sangsmelodie zu, also einem virtuosen Koloraturwesen, während man früher
mehr zu rhythmischer Vermannigfaltigung der Begleitung neigtei). Die nach dem
vierten Jahrhundert einsetzende Geschmacksverrohung führte auch zu einer Über-
treibung der Stimmtechnik2). Archilochos schuf eine Beschleunigung des Rede-
tempos; diese flüssigere Vortragsweise (durch Zusammenfassung erheblich größerer
Silbenreihen zu höheren Einheiten) führte vom Parlando-Gesang zum wirklichen
Sprechen3).

Ober die Arten des Chorgesanges hat uns Chr. Muff orientiert. Danach ver-
zeichnete die Tragödie folgende Chorlieder4):

1. Die Parodos: ursprünglich nur das Lied während des Einzuges mit Marsch-
rhythmen, später der ganze erste Vortrag des Chores, meist ein lyrisches Lied.
Die Epiparodos war das Chorikon während des zweiten Einzugs des Chores.

2. Das Stasimon: kleiner als die Parodos, bestand es wenigstens aus zwei
respondierenden Strophen.

3. Die Hyporchemata, in denen ein heiterer, weltlicher Ton herrschte. Es war
der Gesang mit Tanz, eine Liedzugabe zu Orchesis und Mimik. Entweder es
tanzten die Singenden oder es tanzten die einen, die andern sangen.

4. Die Kommoi: Trauer- und Klagegesänge: In Ton und Art des Zwie-
gespräches, deshalb meist unter Einzelchoreuten verteilt. Es setzte sich aus Lied
und Rezitation zusammen, voll leidenschaftlichem Ausdruck und in oft großer
Erregung.

5. Die epeisodischen Chorlieder: Hauptchorlieder (Parodoi und Stasima).

6. Die Abzugslieder.

Die Aufgabe der Parastaten oder Hegemonen bestand darin, daß sie bei einer
Teilung des Chores in Halbchöre die Führung desselben, unter dem Oberkommando
des Koryphaios, übernahmen, daß sie diese Halbchöre vertraten wie der Koryphaios
den Gesamtchor, und daß sie jenen bisweilen ablösten oder unterstützten. Dies galt
nur, wenn 15 Personen dem Chor angehörten; bei 12 Personen führte der Parastates
den einen Halbchor, der Koryphaios den anderens).

Im Gegensatz zur Tragödie griff der Chor der Komödie0) in die Entwicklung
der Dinge ein, stand im lebendigsten Verkehr mit dem Schauspieler, bald in drama-
tischer Wechselrede, bald in liedmäßigen Empfindungen. Der Koryphaios wirkte
auch als Einzelperson bei poetisch gehaltenen Aufforderungen des Chores, bei Lob-
sprüchen, Exklamationen und Verwünschungen. In der Komödie wurden Dramen
und lyrische Gedichte parodiert. Aristophanes parodierte auch das hohle Pathos.

Die Hauptchorlieder der Komödie waren:

1. Die Parodos, das gesungene Einzugslied.

2. Die Parabase, das wichtigste und merkwürdigste von allen komischen Chor-
liedern, war eine Anrede des Chores an die Zuschauer aus Vollmacht und im

1) Riemann, a. a. O. S. 120.

2) Oehmichen, a. a. O.

3) Riemann, a. a. O. S. 126.

4) Christian Muff, Die chorische Technik des Sophokles, Halle 1877, S. 28 ff.
s) Muff, a. a. O. S. 13.

ß) Muff, Über den Vortrag der chorischen Partien bei Aristophanes, Halle 1872.
 
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