DIE NEUE PROBLEMLAGE IN DER ÄSTHETIK.
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konkrete Synthese von Wesen ist aus Wesenszusammenhängen als dem
Korrelat von Weseneinsichten weder deduzibel, noch gar mit diesen iden-
tisch. Anders gesagt: Die phänomenologische Wesensanalyse ist wissen-
schaftliche Erkenntnis. Wissenschaftliche Erkenntnis erstrebt apodiktische
Gewißheit. Diese läßt sich nur finden in der Erfassung von Wesen und
deren naturnotwendigen, aller empirischen Tatsächlichkeit logisch vorher-
gehenden Zusammenhängen. Um diese Zusammenhänge, die sogen. We-
sensnotwendigkeiten zu erfassen, ist es nötig, jene Wesen, deren Zusam-
menhänge evident erfaßt werden sollen, vorerst in ideierender Abstraktion
herauszuanalysieren aus der Synthese oder Konkretion empirischer Tat-
sächlichkeit*).
Werte aber, also auch der ästhetische Wert, sind keine Wesen, sind
keine spezifischen Quidditäten oder Qualitäten, sondern sie sind etwas,
was sich gerade nur in dem konstituiert, wovon wissenschaftliche und ins-
besondere phänomenologische Wesenserkenntnis abstrahieren muß: in
der tatsächlichen Synthese der Konkretion von Einzelbestimmtheiten oder
Einzelwesen. In der Einstellung wissenschaftlicher Erkenntnis als einer
Wesenserkenntnis bekomme ich niemals Werte zu sehen. Also ist Ästhe-
tik als eine selbständige und insbesondere als. phänomenologische Einzel-
wissenschaft eine Unmöglichkeit.
Man wird einwenden, daß diese Behauptung der einfachen Tatsache
phänomenologischer Wesensanalyse von ästhetischen Werten widerstrei-
tet. Denn zweifellos gäbe es doch phänomenologische Wesensanalysen
etwa des Malerischen, des Plastischen, des dichterischen Ausdrucks, des
Dramatischen usw. Darauf ist zu erwidern, daß alle diese Analysen nur
Analysen der Realisierungsbedingungen des eigentlichen ästhe-
tischen Wertes, nämlich der Schönheit sind. Denn es gibt nur diesen
einen ästhetischen Wert und nicht verschiedene ästhetische Werte. Das
Wesen des Malerischen, Plastischen etc. kann ich so erfassen wie das We-
sen eines geometrischen Verhältnisses — ohne die Spur eines Wertphäno-
mens mit zu erfassen. Ästhetische Wertwesenheiten scheinen diese Be-
stimmtheiten nur, weil man weiß, daß sich in ihnen stets das ästhetische
Wertphänomen realisiert, nicht aber weil man jemals an ihnen in i s o -
lierenderAbstraktion das ästhetische Wertphänomen selbst e r -
schaut hat.
Alle Koordination des alleinigen ästhetischen Wertphänomens — der
Schönheit — mit einer Menge von rein an sich selbst wertindifferenten
Bestimmtheiten kommt nur in der Weise zustande, daß man die Schönheit
selbst unterAbstrichihreseigentlichenWertakzents
*) Vgl. hierzu meine Ausführungen in „Ideelle Existenz" in den von mir heraus-
gegebenen „Philosoph. Heften" 1929, Heft 1 u. 2.
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konkrete Synthese von Wesen ist aus Wesenszusammenhängen als dem
Korrelat von Weseneinsichten weder deduzibel, noch gar mit diesen iden-
tisch. Anders gesagt: Die phänomenologische Wesensanalyse ist wissen-
schaftliche Erkenntnis. Wissenschaftliche Erkenntnis erstrebt apodiktische
Gewißheit. Diese läßt sich nur finden in der Erfassung von Wesen und
deren naturnotwendigen, aller empirischen Tatsächlichkeit logisch vorher-
gehenden Zusammenhängen. Um diese Zusammenhänge, die sogen. We-
sensnotwendigkeiten zu erfassen, ist es nötig, jene Wesen, deren Zusam-
menhänge evident erfaßt werden sollen, vorerst in ideierender Abstraktion
herauszuanalysieren aus der Synthese oder Konkretion empirischer Tat-
sächlichkeit*).
Werte aber, also auch der ästhetische Wert, sind keine Wesen, sind
keine spezifischen Quidditäten oder Qualitäten, sondern sie sind etwas,
was sich gerade nur in dem konstituiert, wovon wissenschaftliche und ins-
besondere phänomenologische Wesenserkenntnis abstrahieren muß: in
der tatsächlichen Synthese der Konkretion von Einzelbestimmtheiten oder
Einzelwesen. In der Einstellung wissenschaftlicher Erkenntnis als einer
Wesenserkenntnis bekomme ich niemals Werte zu sehen. Also ist Ästhe-
tik als eine selbständige und insbesondere als. phänomenologische Einzel-
wissenschaft eine Unmöglichkeit.
Man wird einwenden, daß diese Behauptung der einfachen Tatsache
phänomenologischer Wesensanalyse von ästhetischen Werten widerstrei-
tet. Denn zweifellos gäbe es doch phänomenologische Wesensanalysen
etwa des Malerischen, des Plastischen, des dichterischen Ausdrucks, des
Dramatischen usw. Darauf ist zu erwidern, daß alle diese Analysen nur
Analysen der Realisierungsbedingungen des eigentlichen ästhe-
tischen Wertes, nämlich der Schönheit sind. Denn es gibt nur diesen
einen ästhetischen Wert und nicht verschiedene ästhetische Werte. Das
Wesen des Malerischen, Plastischen etc. kann ich so erfassen wie das We-
sen eines geometrischen Verhältnisses — ohne die Spur eines Wertphäno-
mens mit zu erfassen. Ästhetische Wertwesenheiten scheinen diese Be-
stimmtheiten nur, weil man weiß, daß sich in ihnen stets das ästhetische
Wertphänomen realisiert, nicht aber weil man jemals an ihnen in i s o -
lierenderAbstraktion das ästhetische Wertphänomen selbst e r -
schaut hat.
Alle Koordination des alleinigen ästhetischen Wertphänomens — der
Schönheit — mit einer Menge von rein an sich selbst wertindifferenten
Bestimmtheiten kommt nur in der Weise zustande, daß man die Schönheit
selbst unterAbstrichihreseigentlichenWertakzents
*) Vgl. hierzu meine Ausführungen in „Ideelle Existenz" in den von mir heraus-
gegebenen „Philosoph. Heften" 1929, Heft 1 u. 2.