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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 23.1929

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Schneider, Ferdinand Josef: Max Dauthendey und der moderne Panpsychismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.14175#0342
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328

FERDINAND JOSEF SCHNEIDER.

Weltbildes getan1). Sehr anschaulich erzählt uns Bruno Wille in seinen
„Offenbarungen des Wachholderbaumes", wie er, der Dichter, einmal
dem Naturforscher Haeckel zu verstehen gab, daß ihm dessen erstes
vorsichtiges Bekenntnis zum Hylozoismus oder Panpsychismus nicht ge-
nüge, wie er Haeckels Monismus mehr nach dem Gesichtspunkt einer
stärkern Durchgeistigung der Materie ausgebaut wünsche2). Früher
noch als im Naturforscher regt sich eben im Dichter der Zeit wieder ein
gewisses über den Bereich der bloßen Erfahrungstatsachen hinausgrei-
fendes metaphysisches Bedürfnis.

Es erwacht damit langsam wieder das Verlangen, die Weltbetrach-
tung unter „Ewigkeitsschau" zu stellen, wie Wille sagt3), und besonders
die sogenannten toten Dinge einzuschätzen nach ihrer reichen Wir-
kungsmöglichkeit innerhalb des Lebensganzen, nicht nur darnach, was
man an ihnen ertastet und sieht. Bei alledem aber fühlte sich auch ein
Dichter dieser Jahre der naturwissenschaftlichen Empirie, die ihm ge-
rade mit der Deszendenztheorie so überraschende Einblicke in die geheim-
sten Werkstätten des Lebens eröffnet hatte, immer noch gläubig ver-
pflichtet. Das neu aufgekommene Weltgefühl verlangte daher auch eine
Weltanschauung, die die Brücke zu schlagen vermochte zwischen dem
durch die induktive Naturforschung zutage geförderten Wissen und dem
erstarkenden Zug nach dem Übersinnlichen, zwischen erdgebundener
Daseinsfreude und dichterischem Ewigkeitsrausch.

Solchem geistigen Zeitbedürfnis boten sich nun Lotzes und vor allem
Fechners Lehren gleichsam von selbst dar. Beide Denker hatten zu ihrer
Zeit zwischen dem christlichen Glauben und dem metaphysischen Bedürf-
nis der vergangenen idealistischen Epoche einerseits und dem durch die
naturwissenschaftlichen Entdeckungen begünstigten Materialismus des
19. Jahrhunderts andererseits zu vermitteln gesucht. Das philosophische
Wunschziel, dem sich diese Systeme unterordneten, glich jenem neuen an
der Jahrhundertwende aufs Haar. Nur hatte sich die Richtung ver-
kehrt, nach der hin jetzt vermittelt werden sollte. Einst verlief die Be-
wegung von metaphysischer Spekulation hinweg auf bloße materiali-
stische Empirie zu, jetzt aber gerade entgegengesetzt.

Vorliegende Zeilen wollen unsere bisher recht oberflächliche Kennt-
nis von der Bedeutung des modernen Panpsychismus für das deutsche
Schrifttum um 1900 durch eine weltanschauliche Würdigung von Max
Dauthendeys Denken und Dichten bereichern. Die unter dem Titel „Ge-
dankengut aus meinen Wander jähren" 1913 erschienene Selbstbiographie

1) Vgl. F. Paulsen, Einleitung in die Philosophie, Berl. 1892, S. 104.

2) Offenbarungen des Wacholderbaums, I. Bd., Leipzig 1901, S. 153.

3) Ebd. I, S. 151.
 
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