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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 23.1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.14175#0370
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356

BESPRECHUNGEN.

Plutarch nennt die drei Baumeister der spätperikleischen Zeit und berichtet,
daß Koroibos die unteren Säulen mit ihren Balken, Metagenes ein Diazosma und
die oberen Säulen aufrichteten, Xenokles aber das Opaion über dem Anaktoron
erbaute. Von der Deutung der Ausdrücke Anaktoron, Diazosma und Opaion hängt
für uns die Möglichkeit ab, die innere Einrichtung des Saales und den Gang der
Mysterienfeier zu verstehen. Nach Noack bestände das Anaktoron aus den beiden
mittelsten Feldern bei Iktinos und ebenso des später ausgeführten Entwurfs, um-
geben von 6 Säulen und hervorgehoben durch ein Holzpodium für den Priester, um
es zu sagen, etwa wie der Ring einer Boxerveranstaltung. Das Opaion aber wäre ein
Deckenlicht im Umfang des Anaktoron, durch welches zur Schlußfeier das Morgen-
licht eingelassen werden konnte: eingedeckt mit durchbrochenen Ziegeln, in der Ver-
schalung durch große Lucken geschlossen (Abb. 72) und bis zum Fußboden mit Vor-
hängen verhüllt, die bei dem Lichteffekt nach oben gezogen wurden. Das Diazosma
wiederum wäre eine Empore von den Wänden bis zu den ersten Säulen in der Höhe
der Felsterrasse und von da zugänglich. Dagegen läßt sich Einiges einwenden. Eine
Empore ist z. B. im Iktinosbau durch die großen Spannweiten unmöglich gemacht,
wie E. Fiechter (Phil. Wochenschr. 1928, 997) bemerkt; er schlägt dafür die Fels-
terrasse selbst vor, was recht erwägenswert ist. Auch der Peisistratosbau konnte
keine Emporen haben, da er im Inneren jonische Säulen hatte (so ganz sicher
gegen O. Rubensohn, Gött. Gel. Anz. 1928, 504, da die Inschrift IG2, 313/4 als
Herkunft des Altmaterials eindeutig den Tempel nennt). Bei einer Saalhöhe von
etwa 7 m kann an eine Unterteilung überhaupt nicht gedacht werden (S. 63),
es genügen vielmehr jonische Säulen von 70 cm Stärke. Daher dürfte auch der
kimonische Zwischenentwurf keine Emporen vorgesehen haben, sondern frühestens
erst der von Koroibos, aber man kann sagen, daß sie eigentlich zwecklos wären,
da nur die ersten Reihen der Besucher die Vorgänge des Mysterienspieles beobachten
könnten. Etwa steil ansteigende Stufen würden wieder nicht zur Felsterrasse
stimmen. Diazosma kann nach Fiechter bloß einen schmalen Umgang, dann wohl
nur längs der Wand, bedeuten, oder eine Art Fries.' Das Anaktoron aber würde
lediglich eine symbolische Raumbezeichnung der Mitte sein, da positive Spuren für
ein Holzpodium fehlen: wir wissen, daß man im Altertum zu solchen Zwecken
immer Pfostenlöcher und andere Bettungen vorzusehen pflegte. Ferner müßte, ent-
gegen dem altertümlichen Wortsinn, der Begriff erst von Iktinos geschaffen worden
sein, da beide früheren Zustände je eine Säule in der Mitte hatten, wodurch eine
allgemein sichtbare Aktion des Priesters hier unmöglich gemacht wird. Daher
müssen wir uns doch entschließen, mit Anaktoren den ganzen Bau zu bezeichnen;
dann aber bedeutet Opaion nicht die Dachöffnung, sondern das ganze Dach mit der
Öffnung, die allerdings nicht fehlen darf. Nur wird sie nicht in einem Lichtsieb
aus Lochziegel bestanden haben. Denn die Kontinuität des Kultus erfordert auch
für den Peisistratosbau ein Opaion, und von ihm waren ja 1750 unbeschädigte
Ziegelpaare erhalten, was gegenüber einem Gesamtbedarf von 2100 Paaren wirk-
lich keine allzu geringe Zahl ist (S. 68). Im Gegenteil, das Opaion mußte mit 4
Deckenfelder von 36 ein Neuntel der Dachfläche umfassen, und dann sind bereits
mehr Vollziegel als erforderlich vorhanden. Wir müssen folgern, daß das Dach
normal gedeckt war, daß man einmal jährlich zu den Mysterien die Mitte des
Daches abdeckte und ein Hypaithron herstellte. Dazu konnte ein starker Rahmen
als Begrenzung in der Dachfläche gelegen haben, und auch die umständlichen
Klappluken sind entbehrlich, wenn außerdem noch Vorhänge gebraucht wurden. Sie
sind zwar nicht überliefert, aber doch das Einfachste, nur daß wir sie horizontal
in der Deckenhöhe spannen müssen. Denn der vertikale Lichtschacht, den Noack
S. 226 vorschlägt, würde wohl das „große Licht" auf den Priester konzentrieren,
 
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