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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0071
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Besprechungen.

K. S v o b o d a, L'e s t h e t i q u e d'A r i s t o t e. (Opera Facultatis Philosophicae
Universitatis Masarykianae Brunensis Nr. 21.) Brünn 1927. 212 S. 20 Fr.

Die aristotelische Poetik ist, wie man weiß, fast ganz auf die Probleme der
konkreten poetischen t'iöij des Griechentums, Epos und Tragödie — im verlorenen
Teil war wohl noch die Komödie behandelt — zugeschnitten; praktisch-dramaturgische,
grammatische, rhetorische Gesichtspunkte drängen sich überall zwischen die eigent-
lich philosophischen und suchen mit ihnen mehr oder weniger enge Verbindung;
ihr Begriff der Formeinheit ist letztlich durch ontologische Konzeptionen — und
zwar noch der platonischen Philosophie — bedingt; ihre Erörterungen über das
Ziel der Tragödie tragen noch deutlich die Spuren des leidenschaftlichen Kampfes
um den ethischen Wert oder Unwert dieser Gattung, den Piatos Radikalismus ent-
facht hatte. So bedarf es schon eines gewissen Wagemutes, um ihr die Bausteine zu
einem System der aristotelischen Ästhetik zu entnehmen. Und die Schwierigkeiten
bleiben im Prinzip die gleichen, nehmen nur noch größere Dimensionen an, wenn
die in anderen Schriften, Politik, Ethik, Rhetorik und wo immer verstreuten Äuße-
rungen des Aristoteles zur Vervollständigung des Bildes herangezogen werden. Die
Blickrichtung des Aristoteles und die des modernen Ästhetikers sind eben so grund-
verschieden, daß jeder Bearbeiter dieses Themas mit einer gewissen Zwangsläufig-
keit entweder den Philosophen enttäuschen oder den Historiker vor den Kopf
stoßen muß.

Bei Sv. bedeutet schon die Gliederung seines Buches einen Kompromiß zwischen
den Ansprüchen des historischen Gegenstandes und den Ansprüchen der heutigen
Philosophie. Neben Kapiteln über zt/vr] („ l'art"), y.a/.öv („le beau"), h'^ig (la
diction), also immerhin mehr oder weniger zentrale Begriffe der aristotelischen
Poetik bzw. des aristotelischen Denkens stehen solche, die man von Aristoteles
aus nie als selbständige Einheiten konstituieren würde: über Tanz, Malerei, Skulp-
tur und Architektur. Für diejenigen Leser dieser Zeitschrift, die das Buch nicht
aufschlagen, sei bemerkt, daß das Kapitel über den Tanz zwei Seiten, Malerei und
Skulptur zusammen sechs, die Architektur eine Seite füllt. Es wirft doch ein merk-
würdiges Licht auf die aristotelische „Ästhetik", wenn ihr Darsteller, nachdem er
Aristoteles' Ansichten über Epos und Tiagödie auf zweihundert Seiten vera»beitet
hat, über die bildenden Künste und den Tanz noch nicht zehn Seiten zusammen-
bekommt. Liegen hier nicht ernste Fragen nach dem Charakter der aristotelischen
und darüber hinaus der griechischen „Ästhetik" und mithin auch der Existenz-
berechtigung des Sv.'schen Themas beschlossen? Und drängt es nicht zu den glei-
chen Fragen, wenn die beiden ersten Kapitel (nach der übrigens reichhaltigen
historischen Einleitung), „le beau" und „l'art" betitelt, mit dem Ergebnis enden, daß
weder der eine Begriff, das xalöv, noch der andere, die tey.vr), bei Aristoteles auf die
ästhetische Sphäre beschränkt ist.

Nun macht sich allerdings diese bifrontale Haltung Sv.s über Gliederung und
Anordnung des Stoffes hinaus nur schwach bemerkbar. Die Darstellung selbst hält
 
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