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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0178
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162

BESPRECHUNGEN.

Menschenkenntnis, zu der die Psychoanalyse führt, von Bedeutung. Das gleiche
gilt von der Fürsorgeerziehung, während für die praktische Durchführung der Psy-
choanalyse in Erziehungsanstalten nach Vogtländers Darlegungen das Milieu nicht
günstig ist. Beziehungen zwischen Technik und Psychoanalyse weist Giese auf:
Psychoanalyse schärft den Blick für sexuelle Vorbilder technischer Geräte, fördert
die Charakterologie des Ingenieurs sowie das Verständnis der Probleme der Berufs-
wahl und des Massenerlebens beim Arbeitsprozeß. In einer Arbeit über „Massen-
psychologie, Wirtschaft und Psychoanalyse" schildert Michels das erotische Ver-
halten der Masse sowie die Zusammenhänge zwischen Sexualität und Streben nach
Reichtum. Der letzte Aufsatz über „Dichtung und Psychoanalyse" von Bieber er-
klärt, die Psychoanalyse tendiere auf eine Kulturentwicklung, in der für solche Aus-
nahmenaturen wie große Dichter und Künstler kein Platz mehr sei. Die Bespre-
chung einer Anzahl von Dichtungen, in denen psychoanalytische Gedankengänge
verwertet werden, zeigt, daß die Psychoanalyse der Dichtung zwar mannigfache
Anregungen gegeben hat, daß aber ihre Theorien in dieser Hinsicht nicht mehr
Wert haben als etwa die Vererbungslehre oder die Milieutheorie.

Die Sammlung hat noch einige Lücken, von denen der Herausgeber Metaphysik,
Volkskunde und Soziologie selber erwähnt. Manche Aufsätze leiden unter der
Schwerlesbarkeit des Stils; eine Stelle wie: „Schuld ist der Freiheit Innewerden ihrer
Grenzen zum Dasein als Existenz, Verantwortung des (das ? Ref.) Sich-Einsetzen
der Freiheit für das existenzielle Sein gegen das Sterben als sichere Möglichkeit" —,
wie sie sich in der sachlich durchaus wertvollen Arbeit von Kunz auf Seite 71 findet,
dürfte nicht nur dem Referenten unverständlich sein. Im ganzen aber ist das Werk
ein monumentales Unternehmen, auf das auch spätere Generationen zurückgreifen
werden, wenn sie wissen wollen, was für Auswirkungen die Psychoanalyse in ihren
ersten 30 Jahren auf Wissenschaft und Leben gezeitigt hat.

Berlin. Alexander Herzberg.

Felix M. Gatz: Musik-Ästhetik in ihren Hauptrichtungen.
Ein Quellenbuch der deutschen Musik-Ästhetik von Kant und der Frühromantik
bis zur Gegenwart, mit Einführung und Erläuterungen. Stuttgart, Ferd. Enke.
1929.

In diesem Buche werden die musikästhetischen Anschauungen, die in den letz-
ten 140 Jahren in Deutschland hervorgetreten sind, in Ausschnitten aus den Wer-
ken ihrer Vertreter vorgelegt. Diese Ausschnitte geben die Originaltexte wortgetreu
wieder, sind deshalb wertvoller als Referate und machen das Buch zu dem, was es
sein soll, zu einem wirklichen Quellenbuch. Der Herausgeber ergreift nur hier und
da selbst berichtend das Wort, um den Gedankengang eines Schriftstellers kurz zu
erläutern. Der Auswahl der Autoren und der für sie bezeichnenden Ausschnitte
aus ihren Werken wird man im ganzen zustimmen können; sie gewährt ein gutes
Gesamtbild der Meinungen über die Tonkunst und der Widersprüche, zu denen sie
geführt haben. Vielleicht hätte noch der eine oder der andere Schriftsteller — etwa
Siebeck, v. Kries — Aufnahme verdient. Besonders nützlich ist die von Gatz ge-
troffene Auswahl dadurch, daß sie eine Reihe von Werken heranzieht, die im Buch-
handel vergriffen sind.

Wer an der Hand des Quellenbuchs Musikästhetik studiert, der könnte ent-
mutigt werden, wenn er auf so vieles sich Widersprechende stößt, wenn er sieht,
daß es an klaren Grundbegriffen und allseitig anerkannten Normen auf diesem Ge-
biete noch fehlt, daß manche Autoren sich zu phantastischer Denkweise versteigen.
 
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