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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0257
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BESPRECHUNGEN.

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wird gezeigt, wie die Kunstgeschichte hier die ihrem Gegenstand gemäße Betrach-
tungsweise gefunden habe.

Bis zu diesem Punkt ergibt die Untersuchung ein eindeutiges Bild. Der ab-
strakte Idealismus der Werte, unfähig, von sich aus die Erfahrungswirklichkeit zu
erreichen, verbindet sich mit der gewöhnlichen Willfährigkeit gegen eine wissen-
schaftliche Empirie, der er nichts mehr zu sagen hat. Dabei ist Erfahrung nicht
länger in dem streng kantischen Sinne begründete Erfahrung, sondern trägt unver-
kennbar positivistische Züge. So werden die stilistischen Begriffe als „Apparat",
nach dem was sie „leisten", beurteilt (S. 27). Die Ästhetik als philosophische
Wissenschaft fällt ins Leere, da ihr nichts als die Abstraktion des aus dem Mutter-
boden der Geschichte herausgehobenen Kunstwerks bleibt. Ferner erweist hier der
Wertformalismus seine natürliche und vielfach bezeugte Hinneigung zu dem opti-
schen Formalismus der Wölfflinschen Kategorien.

Doch bleibt K. hierbei nicht stehen. Er sieht nicht nur, daß „die gegenwärtigen
Tendenzen innerhalb der Kunstgeschichte" dem von ihm verteidigten Verfahren nicht
sehr günstig sind (S. 45). Seine eigene Betrachtung treibt ihn über die formalisti-
sche Position hinaus. Er erkennt einmal an, daß die Kategorien Wölfflins nicht
als solche in ihrer starren Allgemeinheit und schematischen Gegensätzlichkeit gelten
können. „Das Historische in der Begriffsbildung Wölfflins beruht darauf, daß zwar
nicht der einzelne Begriff, aber der Inbegriff seiner Kategorien überhaupt fähig
gemacht wird, das Besondere eines einmaligen geschichtlichen Verlaufs zur Dar-
stellung zu bringen" (S. 27). Damit wird der spezifische Anspruch der „Grund-
begriffe" hinfällig. Sie treten in eine Linie mit den beweglichen und nuancierten,
niemals abstrakt zu fassenden Begriffen, die der Historiker zu seinem Geschäft der
Darstellung benötigt. Aber weiter noch: während die Wölfflinschen Anschauungs-
formen in betonter Indifferenz gegen den sie erfüllenden historischen Gehalt ver-
harren und nur vermöge dieser Ausdruckslosigkeit ablösbar sind, sieht K. hier
mit Recht eine „merkwürdige Selbsttäuschung" Wölfflins und bringt die unlösbare
Verknüpfung mit einem verstehbaren Sinn, einem Bedeutungsgehalt zur Geltung
(S. 28). An dieser Stelle scheint der Verfasser im Begriff, die Schranken seiner
bisherigen Betrachtungsweise zu durchbrechen und die Kunst als Dokument des
geschichtlichen Geistes zu würdigen; wodurch sich die Trennung von „kunstempiri-
scher" und ästhetischer Betrachtung von selbst aufheben müßte. Aber behindert
durch einen einseitigen Begriff von Geschichte, in der Meinung, daß sich der Begriff
einer immanenten Kunstentwicklung und der eines durchgehenden Zusammenhanges
der Kultursphären gegenseitig ausschließen, entscheidet sich K. für einen „mittleren
Weg". Ein solches Verfahren wird „die Darstellungsformen der Kunst weder als
völlig sinnfremde Wirklichkeit noch als Ausdruck höchster weltanschaulicher Ge-
sinnung betrachten, sondern jene mittlere Sphäre von Sinnhaftigkeit zu ergründen
suchen, die den formalen Gebilden des Stils wirklich immanent ist" (S. 35). — Wie
diese Entscheidung, so scheint die Untersuchung überhaupt auf der Mitte eines
Weges zu stehen, der, wie man vermuten darf, noch entschiedener von Abstraktionen
ablenken wird, die vorläufig die Entfaltung von bisher nur halb eröffneten Ein-
sichten hemmen.

Berlin. Helmut Kuhn.

PaulAudra, La vision et l'expression plastiques. Essai d'esthe-
tique positive. Paris, Chiron, 1924. P. 262.

Zwei Gesichtspunkte: der philosophische und der künstlerische, rechtfertigen es
m. E. vor allem, wenn diese Besprechung der Ästhetik Audras mit dem Haupttitel: La

Zeitschr. f. Ästhetik u. alle. Kunstwissenschaft. XXIV. iß
 
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