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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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Urries y Azara, J. Jordán: Umschaffen und Nachschaffen in der Kunsttheorie
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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0315
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Bemerkungen.

Umschaffen und Nachschaffen in der Kunsttheorie.

Von J. Jordan de Urries y Azara.

Die Kunst ist ein Schaffen. Jeder Künstler hat in Natur- oder
Kunstbetrachtung Erfahrungen und Erlebnisse gesammelt. Er macht sein Erleben
zum Gegenstand seines Werkes und konzipiert mit seiner schöpferischen Phanta-
sie eine Form, die mit künstlerischen Mitteln ausgedrückt werden kann. Er be-
dient sich derjenigen, die ihm. seine natürliche Begabung und sein Studium vor-
schreiben, und so bringt er die Form zum Ausdruck und schafft ein Kunstwerk.
Jedes Kunstwerk enthält also einen Stoff, den der Künstler in gewissem Sinne von
außen nimmt, es hat aber auch eine Form, in der dieser Stoff zum Ausdruck ge-
bracht werden kann. Die Konzeption dieser Form ist die Schöpfung des Künst-
lers, eine innere Schöpfung, obgleich sie mit der äußeren Welt in Verbindung steht.
Und nur wenn seine Konzeption dieses Stoffes zum Ausdruck kommt, ist ein
Kunstwerk geschaffen worden. Jeder Künstler hat, bevor er ein Kunstwerk schafft,
die Natur oder die Kunst, die ihm seinen Stoff liefern, betrachtet. Jede künst-
lerische Konzeption, jedes Kunstwerk setzen zunächst den Künstler als ästhetischen
Betrachter voraus. Nicht jeder Betrachter und auch nicht jeder ästhetische Be-
trachter schafft ein Kunstwerk: manche konzipieren nichts Neues, andere wissen
ihre Konzeptionen nicht auszudrücken; entweder fehlt ihnen die schöpferische Phan-
tasie, die für das Erstere erforderlich ist, oder es fehlen ihnen Geschick und
Kenntnisse für das Zweite.

Ist also jede Kunst ein Schaffen, so ist es von Interesse, zu untersuchen,
was Umschaffen und Nachschaffen in der Kunst bedeuten. Dabei sollen
die verschiedenen und gegensätzlichen Ansichten berücksichtigt werden, die darü-
ber im allgemeinen herrschen, ferner die Art, wie man im gewöhnlichen Sprach-
gebrauch die Bedeutung der drei Begriffe verwechselt, indem man ebenso den
Verfasser eines Dramas und den darstellenden Schauspieler, den Musiker, der
eine Sonate komponiert, und den, der sie spielt, den Maler, der ein Werk schafft,
und den, der es kopiert, ohne Unterschied Künstler nennt, ganz abgesehen von
anderen Anwendungen der Begriffe Kunst und Künstler, auf die wir nicht
eingehen (wie auf die Akrobaten und Stierkämpfer und auf ihre Berufe). In
einigen Sprachen könnte man das Wort Kunst hierauf anwenden, doch nur, wenn
man ihm die Bedeutung von Fertigkeit beilegt, was jedoch nichts mit Ästhe-
tik zu tun hat. Zwischen denen, die alle Obengenannten in gleicher Weise Künst-
ler nennen und denen, die aus dem Gebiet der Kunst alles ausschließen, was nicht
Schaffen im eigentlichen Sinne des Wortes ist, d. h. alles Umschaffen
und Nachschaffen, nehmen diejenigen eine Mittelstellung ein, die im Rahmen
der Kunst diese beiden Arten von Produktion immer dann gelten lassen, wenn
ihre Autoren mit ihrem Werke Individuelles und Persönliches zur Darstellung
bringen. Jene Kunsttheoretiker rechnen aber Umschaffen und Nachschaffen nicht
 
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