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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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Urries y Azara, J. Jordán: Umschaffen und Nachschaffen in der Kunsttheorie
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Sterzinger, Othmar: Die Gemäldeoptik des inneren Auges
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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0326
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BEMERKUNGEN.

ihr Stellung nimmt, steht der Schauspieler als Kunst-
betrachter und zu gleicher Zeit als wirklicher Künstler mit
ihr in Verbindung.

Die Gemäldeoptik des inneren Auges.

Von

Othmar Sterzinger.

In seinem Vortragszyklus „Optisches zur Malerei" hat H e 1 m h o 11 z einen
Tatsachenkomplex zusammengefaßt und wissenschaftlich beleuchtet, der nicht nur
psychologisch sehr interessant ist, sondern auch der Praxis eine ganze Anzahl
sicherer Anhaltspunkte gibt. Eine Erweiterung von der wissenschaftlichen Seite
her erfuhr dieser Komplex namentlich durch die Untersuchungen von D. Katz
über „die Erscheinungsweisen der Farben" und eine neuerliche zusammenfassende
Darstellung durch K. B ü h 1 e r s gleichnamiges Buch. Dieser Tatsachenkomplex, der
auch die Gemäldeoptik genannt wird, muß, bevor wir auf unser Titelthema ein-
gehen können, erwähnt werden und ist kurz folgender.

Alle Gegenstände der irdischen Außenwelt stehen in Raum und Luft und
Licht und haben, wenigstens gewöhnlich, eigene Farben. Der Maler,
der diese unsere Außenwelt darstellen will, muß also trachten, diese vier Dinge
auf die Leinwand zu bringen. Man ist versucht, zu sagen, auf die zweidimensio-
nale und würde damit im großen und ganzen auch etwas Richtiges bemerken.
Aber eben nur im großen und ganzen. Denn durch entsprechenden Auftrag der
Farbe ist dem Alaler die Möglichkeit gegeben, zur Darstellung in etwas auch die
dritte Dimension als Hilfsmittel heranzuziehen. Er kann die Farbe sehr pastos
auflegen, sei es mit Pinsel oder Spachtel, er kann diese Farbkörper im eigent-
lichen Sinne des Wortes in dieser oder jener Weise formen, als entsprechend ab-
gepaßte Kleckse oder als sozusagen parallele Ackerfurchen, in denen sich das
Licht, wirkliches Licht verfängt, so daß es zu darstellerischen Zwecken verwendet
werden kann.

Der räumliche Eindruck, um zuerst die Wiedergabe des Raumes vorzuneh-
men, eines Gegenstandes der Wirklichkeit wird vermittelt einmal durch unsere
Zweiäugigkeit und durch die auf sie gegründete Querdisparation, derzufolge das
zweite Auge ein bißchen hinter den" Gegenstand, den das erste sieht, hineinblickt,
ferner durch die allerdings wesentlich schwächere Raumwahrnehmung des Ein-
zelauges, die Akkommodation der Linse und die Konvergenz der beiden Augen-
achsen, schließlich durch die sogenannten empirischen Kriterien. Diese sind die
Perspektive, die Überschneidungen, d. h. zurückliegende Gegenstände werden durch
die vorderen teilweise verdeckt, die scheinbare Größe, in der uns wohlbekannte
Dinge, wie Menschen, erscheinen (d. h. die Gegenstände werden auf dem Gemälde
um so kleiner dargestellt, je weiter sie zurückliegen), und die Beschattung. Von
diesen, den Raumeindruck begründenden Momenten stehen dem Maler nur die
empirischen Kriterien zur Verfügung, wogegen die Querdisparation, die Akkom-
modation und Konvergenz bei der zweiäugigen Betrachtung des Gemäldes ihm
entgegenwirken. Denn alle diese Kriterien sagen dem Beschauer: hier handelt
es sich nur um eine zweidimensionale Sache1). Betrachtung des Gemäldes durch

1) J. P i k 1 e r behauptet, daß auch beim Betrachten von Bildern Konvergenz-
erscheinungen auftreten (Ber. ü. d. XI. Kongreß f. exper. Psychol. 1930, S. 125 f.).
Dabei kann es sich wohl nur um sekundäre Erscheinungen, um gewohnheitsmäßige
Koppelungen, handeln.
 
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