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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0337
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BESPRECHUNGEN.

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Tage, sondern vielmehr die Vorkriegszeit trifft. So ist, um ein Beispiel des Verfas-
sers zu nehmen, heute im Kunsthandwerk durchaus nicht mehr die Natur des Roh-
materials Nebensache für die Gestaltung (177). Hier braucht nur an die Theoreti-
ker und Praktiker des Bauhauses Weimar-Dessau erinnert zu werden! Wenn es
weiter heißt, unsere Zeit habe keinen Stil (178), dann kann man wohl sagen, dies
sei eine Frage des historischen Blicks. Die Ursachen, die der Autor für die Stil-
losigkeit von gestern benennt, sind jedenfalls nicht absolut und es ist eine Auf-
gabe mehr, die uns allen gestellt ist, sie zu besiegen. Statt zu verdammen, hätte
das sonst so lebensfreudige Buch hierin mehr Vertrauen zeigen sollen und vor
allem Wege zur Abhilfe!

Berlin. Werner Ziegenfuß.

Fritz Burger, Einführung in die moderne Kunst. Eingeleitet und
bis auf die jüngste Gegenwart fortgeführt von C. v. Lorck. Wildpark-Pots-
dam 1928.

Als 46. Tausend ist das bekannte Burgersche Werk noch einmal auf dem
Markt erschienen, diesmal in ansprechendem Gewände, auf weißem Kunstdruck-
papier gedruckt und eingeleitet von einem Kunsthistoriker, der von Begeisterung
für den Forscher und Menschen Burger beseelt ist. Fritz Burger ist überaus schnell
— so meine ich im Gegensatz zu der Einleitung des Herausgebers — von der
Fachwissenschaft außerhalb der Debatte über die Probleme der modernen Kunst-
wissenschaft gelassen worden. Der Grund wird in der Dunkelheit seines Stils, der
seherhaften Geste, der Verworrenheit im Vortrag tiefer Einsichten, kurz in allen
den Merkmalen liegen, die das vorliegende Werk zu einem der wichtigsten Doku-
mente der expressionistischen Epoche im Kunstschrifttum stempeln. Diese Art
scheint nicht mehr zeitgemäß, wie auch der Expressionismus in der Kunst selbst
schon historisch und indiskutabel geworden ist. Es fragt sich aber, ob mit Recht.
Der Expressionismus hat zweifellos mit der Betonung der formalen Struktur des
Kunstwerks, speziell für die Malerei mit seinem Verständnis für den aus Farb-
flecken sich zusammensetzenden Bildteppich Wichtiges geschaffen, das die neueste
Sachlichkeit mit der Rehabilitation des Gegenständlichen nur zum Schaden außer
Acht lassen würde. Ähnlich beherzigenswert bleibt heute bei aller Wandlung der
Einstellung Burgers formale Analyse des Kunstwerks in Bezug auf Farbflecke und
Farbfleckgrenzen, wo man wohl allzu einseitig von den schon gegenständlichen
Vorstellungskomplexen Körper und Raum spricht. Burger hat weiter unstreitig
das Verdienst, als einer der ersten von der Formstruktur des Kunstwerks auf die
Gesamtkultur der Zeit zurückgeschlossen zu haben. Das ganze Feuer der Ent-
deckung findet man in diesem Werk wie in seiner letzten Schrift, den Weltanschau-
ungsproblemen und Lebenssystemen in der Kunst der Vergangenheit (1918).

Daß Burger in der heutigen Forschung noch weiterlebt, beweist der von
v. Lorck geschriebene letzte Teil des Buches über die Kunst der Gegenwart. Frei-
lich merkt man, daß die Zeit eine andere geworden ist. Obgleich ebenfalls in ent-
deckerfreudigem Schwung konzipiert, drückt die Sprache durchsichtig klar den
Gedanken aus. C. v. Lorck beschränkt sich auf das eine Problem der Perspektive und
ihre Ausdeutung. Dieser Gesichtspunkt gibt ihm zugleich Gelegenheit, abschließend
ein Schlaglicht auf die gesamte Kunst der Vergangenheit zu werfen. Die Zentral-
perspektive, wie sie die Photographie und die Kunst von 1400—1900 ausgebildet
hat, ist ein Zeichen des Subjektivismus, „da sie lediglich den Illusionsanschein dar-
stellt, welcher durch eine einzige Person von einem einzigen Standort in einem

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XXIV. 01
 
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