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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0346
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330

BESPRECHUNGEN.

Werk durch gute Literatur- und Zeitschriftenangabe (26!) und vor allem durch
die reiche Ausstattung mit wichtigen und ausgezeichneten Bildern (ca. 200). Man
tut gut, über die markant sich gebenden Glossierungen hinwegzulesen. Sie sind
teilweise unrichtig, (wenn z. B. die Dänin Asta Nielsen als „deutscher Typ:
Drollerie" ausgegeben wird), teilweise unverständlich. (Einer Szene in einem
Mackart-Zimmer wird das Attribut gegeben: Milieu des „Sternschnuppenfilms".)
In jedem Falle sind die Beischriften überflüssig, denn diese Bilder sprechen wirk-
lich für sich selbst; je unbefangener man sie ansieht, um so mehr wird man den
filmischen Bildaufbau erkennen und begreifen. So wird das Werk Bagiers zu der
Fibel des Films, man lernt aus ihr sehen und buchstabieren und eine neue Schön-
heit wahrnehmen.

Diese neue Geschmacksrichtung, die sich da anbahnt, stellt das Verhältnis vom
Film zur Photographie einerseits und zur Malerei auf der anderen Seite als grund-
sätzliches ästhetisches Problem zur Diskussion. Moholy-Nagy skizziert die heu-
tige Situation sehr radikal und vielleicht überscharf, aber im Grunde richtig:
(S. 17) „Seit der Erfindung der perspektivischen Regel hat das Tafelbild die
Farbe als solche vernachlässigt und sich fast ganz der Darstellung zugewandt.
Diese hat den Gipfelpunkt ihrer darstellerischen Absichten in der Photographie er-
reicht, allerdings damit auch den Tiefpunkt farbiger Gestaltung." Deshalb tritt
er für reinliche Scheidung der beiden Bezirke ein. Das Gegenständliche, Dar-
stellende, das jeder Kunstübung eigen war, soll mehr und mehr der Photographie und
ihren Trabanten: dem Photogramm, der Photoplastik, der Typographie (worüber sich
aufschlußreiche Ausführungen und Proben finden) vorbehalten bleiben, sie soll alles
„Malerische", nach dem Tafelbild Schielende, alle „Retouchen" und Umformungen
aufgeben. Der Malerei fällt dann die „absolute" optische Gestaltung zu, also das
Farbliche in seiner abstrakten und ungegenständlichen Art. Die tatsächliche Lage
bestätigt die Darlegungen Moholys in Hinsicht auf Kubismus, Futurismus und
diejenigen Strömungen in der nachexpressionistischen Malerei, die auf ihr auf-
bauen. Wirkungen dieser Art sind selbst bei ganz „gegenständlichen" Malern und
Zeichnern wie Hofer, Beckmann und George Groß zu spüren. Ob diese Entwick-
lung sich noch weiter fortsetzt und ob die darstellende Malerei wirklich im Aus-
sterben begriffen ist, muß die Zukunft lehren. Auf alle Fälle könnte sich das erst
nach Generationen auswirken. Wichtiger und schon im Augenblick bedeutsamer
scheinen die neu aufgezeigten Möglichkeiten der photographischen Optik und des
bewegten Lichtbildes — des Films. Wie er als Gestaltung mittels des Lichts sich
immer weiter ausbreitet und eine künstlerische Provinz nach der anderen erobert,
das zu verfolgen und kritisch zu beobachten scheint eine der wichtigsten Aufgaben
der aufs Moderne gerichteten Ästhetik. Hier bietet sich entscheidendes Material,
um festgeprägte ästhetische Begriffe zu revidieren und zu erweitern. Abschließen-
des wird sich erst sagen lassen, wenn die Flut der gegenwärtigen photographi-
schen Entdeckungen zu einem gewissen Stillstand gekommen ist. Auch der Film,
der ja in seinen dramaturgischen und rein ästhetischen Hauptlinien und Grenzen
heute schon umrissen ist, wird noch manches Neuland und Bereicherung von den
optischen Möglichkeiten erwarten können, wesentliche Umprägungen nicht mehr.
In diesem Sinn ist das reiche und wertvolle Bildmaterial im Buche Moholys zu
verfolgen.

Er steht heute übrigens nicht mehr allein, zahlreiche jüngere Photographen
sind ihm gefolgt, worüber nicht allein das neue Jahrbuch des deutschen Lichtbildes
sozusagen ganz offiziell Auskunft gibt, sondern eine ganze Reihe neuerer photo-
graphischer und filmischer Publikationen.
 
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