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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 25.1931

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Gesellschaft für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.14174#0107
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GESELLSCHAFT FÜR ÄSTHETIK.

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9. Mai 1930, am ersten Vortragsabend des Sommerhalbjahrs, von Fräulein Clara
Körner behandelt. Seit der Klassik ist die Entwicklung zum Ausdruck in der
Musik deutlich. Als Wegbereiter zum Expressionismus ist die Romantik anzusehen.
In der Zeit der „Sachlichkeit" — die nicht das Gerichtetsein auf ein Objekt
außerhalb der Kunst bedeutet — ist die Musik neben der Architektur am stärk-
sten durch Mathematik gebunden. Die neue Kunst hat ein „Pathos der Kälte".
Sie kann durch einige Merkmale — keineswegs abschließend — gekennzeichnet
werden: durch eine besondere Art von Humor in kurzen, schlagenden Sätzen (bei
Hindemith, Schönberger); durch eine Wendung zum Volkstümlichen (bei Mahler
schon, dann bei Hindemith); durch Energie im Rhythmus und Geistigkeit in der
Kontrapunktik. Professor Mersmann will von einem Expressionismus in der neuen
Musik nicht sprechen, sondern sieht in ihr eine Zersetzung des Impressionismus.
Der Humor sei über parodistische Ansätze nicht hinausgekommen. Die Volks-
haftigkeit in der Musik liege heute bei den östlichen Völkern. Professor Dessoir
hält für entscheidend die Lösung des Problems, ob die gegebene Bestimmung der
neuesten Musik in eine notwendige und fruchtbare Beziehung zu unserm Lebens-
gefühl gebracht werden kann, ob sie ein reiner Ausdruck der Zeit sei. Diese
Frage ist nicht zu entscheiden. — Der zweite Vortrag des Sommerhalbjahrs wurde
am 20. Juni durch Dr. Rene König erstattet über „Künstlerästhetik als geistes-
wissenschaftliches Problem". Künstlerästhetik ist einzuordnen zwischen theoreti-
scher Besinnung und unmittelbarem Schaffen. Alles Denken im Gebiete der
Künstlerästhetik ist letztlich aus weltanschaulichen Hintergründen bestimmt; es
trägt eine normative Grundstruktur. Künstlerästhetik ist der systemwissenschaft-
liche Ausdruck für eine bestimmte Erkenntnishaltung. Eine Untersuchung der for-
malen Voraussetzungen dieser normativen Disziplin ergibt: gegenüber der Ge-
meinwirklichkeit sucht der Künstler seine Wirklichkeit als die wesentliche und
allein geltende auszuspielen. Die gewonnenen Einsichten werden verabsolutiert, wie
in allen dogmatischen Wissenschaften. Herr Junghans wirft in der Aussprache
die Frage auf, ob die hier als Künstlerästhetik bezeichnete Erkenntnishaltung nur
von Künstlern betrieben wird, und ob sie eine notwendige ästhetische Haltung des
Künstlers sei. Privaldozent Dr. Kuhn setzt Zweifel in die Einteilung: 1. ästhe-
tische Betrachtung des Sachforschers, 2. Betrachtung des Künstlers, dem das
eigentliche Wesen der Kunst verschlossen bleibt, 3. systematische Betrachtung, die
mitten inne liegt. Welche Rolle spielt dabei die Kunstwissenschaft? Eine welt-
anschauungsfreie Betrachtung des Kunstwerks ist nicht möglich. Sehe ich z. B.
eine griechische Statue an, so bin ich „rudimentärer Historiker". Dr. Ziegenfuß
zerlegt die „Künstlerästhetik" in die Frage nach Bedeutung und Ursprung im
Künstler und nach Bedeutung für das Kunstwerk. Zu dem ersten Problemgebiet
gehört dann 1. eine Erörterung der Künstlerästhetik als nachträglicher Besinnung
über das Kunstwerk, 2. die Behandlung der normativ-dogmatischen Prinzipien des
Schaffens, 3. aber auch eine Besprechung der Ästhetik des Künstlers, die sein
Werk im Fortgang der Gestaltung dauernd begleitet. In Bezug auf die Bedeutung
für das Kunstwerk wären drei Betrachtungsweisen zu unterscheiden: 1. das
Kunstwerk als ein der Künstlerästhetik entsprechender Gegenstand; hier hat der
Vortragende zu einseitig nur die realistische Ästhetik betrachtet; 2. das Kunst-
werk qua Kunstwerk; 3. das Kunstwerk als geschichtlicher Gegenstand.

(Bericht über den Thurnwald-Vortrag von Rene König.)
Berlin. Gertrud Jung.
 
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