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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 25.1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.14174#0169
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Besprechungen.

Kurt Gerstenberg, Johann Joachim Win ekel mann und Anton
Raphael Mengs. Max Niemeyer Verlag, Halle 1929. 40 Seiten und
11 Tafeln.

Zur Winckelmann-Feier des Jahres 1928 hatte Kurt Qerstenberg im Rober-
tinum zu Halle einen Vortrag gehalten, der die seltsame Wendung des Rokoko zum
Klassizismus am Beispiel zweier bedeutender Deutscher und ihrer schicksalhaften
Freundschaft zum Thema hatte. Diese Rede liegt nun als 27. Hallisches Winckel-
mannprogramm gedruckt vor, damit zum erstenmal und in glücklicher Weise die
rein archäologische Reihe dieser Hefte durchbrechend, und damit zugleich, wie
Georg Karo in seinem Vorwort betont, im Geiste Carl Roberts handelnd, „dem die
Einheit der gesamten Kunstgeschichte nicht minder am Herzen lag als die der
Altertumswissenschaft". Als Anhang beigedruckt ist ein bisher unbekannt geblie-
bener Brief von Winckelmann an Mengs (vom 19. Oktober 1762).

Was die Abhandlung in folgerechter Gedankenreihe auseinanderlegt, ver-
anschaulichen an die dreißig beigegebene Abbildungen so wirksam, daß die kostbare
Spannung: ein Lebendiges im Werden verfolgen zu können, den Leser nicht einen
Augenblick verläßt. Im wechselseitigen Einfluß der Freunde — des Theo.etikers
und des Künstlers — erleben wir das allmähliche Deutlichwerden der großen Grund-
gedanken, durch deren Auffassung und Verkündung Winckelmann ein ganzes Jahr-
hundert und einen ganzen Erdteil mit unmerklicher Gewaltsamkeit in einen neuen
Stil verführt.

Aus barocker Wurzel bricht die überraschende Stilblume auf: Mit großsinniger
Einseitigkeit wird von Winckelmann der Bernini-Stil, dem der junge Mengs ganz
ergeben ist, exorzisiert und zugleich im Laokoon die barocke Verwandtschaft weg-
gesehen. Mengs läßt sich erst durch den Augenschein der Herkulanischen Funde
verwandeln. Lückenlos entwickelt der Verfasser an dem Deckengemälde Der Par-
naß in der Villa Albani die langsame Zersetzung des barocken Bildbaus durch die
eindringenden antiken Bestandteile. Der Ursprung einer neuen Sehweise aus ver-
standesmäßiger Erwägung und forscherhaft gelehrtem Rückblick und die damit
unvermeidlich gegebene Unsicherheit seines Beginns, der Bruch mit der Zeitüber-
lieferung und damit die Gefährdung unbefangener Künstlerschaft, durch den Ver-
fasser geistreich erhellt am Gegenbeispiel des Pesneschen Parnaß, geben dem
Mengsschen Malwerk einen einzigartigen kunstgeschichtlichen Rang. In der Wer-
tung unserer Zeit tritt dieser mehr auf der Ebene des Geschichtlichen liegende Reiz
oder Rang an Stelle der Begeisterung einer zeitgenössischen Mitwelt, die meinte,
vom Maler das Neugeschenk der Antike zu empfangen, nicht ahnend, daß es viel-
mehr ein antikisch aufgemachter Spiegel ihres eigenen Wesens war.

Die Schilderung von Mengsens Kopien nach antiken Wandmalereien, welche
ahnungslos „die hoheitsvolle Milde spätantiker Bilder ... in die niedliche Leere des
Porzellanzeitalters verfälschen", macht das ewige Menschenlos: dem Zeitalter hörig
zu sein und allezeit eine ganze Erscheinung nur mangelhaft zu erfassen, am leben-
 
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