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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 25.1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.14174#0220
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206

BESPRECHUNGEN.

Attika vor. Erst am Ende des 7. Jh. werden die in der Kleinkunst ausgebildeten
Typen auch in monumentale Plastik umgesetzt. Hier ist der Punkt, an dem der von
Müller unterschätzte Einfluß Ägyptens einsetzt. Im 6. Jh. löst sich dann der Block-
stil langsam auf. Die Arme lösen sich vom Körper, die Einzelformen werden locke-
rer und beweglicher, die Umrisse weicher und schwellender, das Gefüge loser und
geschmeidiger. Müller prägt dafür den guten Ausdruck „Lockerungsstil". Auch
hierin drückt sich aus, daß die entscheidende Entwicklung für die Typen in das 7. Jh.,
dagegen die selbständige griechische Entwicklung der monumentalen Plastik, des
expansiven dorischen, des intensiven jonischen Stils in das 6. Jh. fällt. Eine frische,
klare, rein griechische Kunst löst die schwere und plumpe orientalisierende ab.

Ein Hauptwert von Müllers Buch besteht in der klaren Scheidung von boden-
ständigem Stil und von Motiven, die von Land zu Land wandern können, sowie der
Darstellung ihrer gegenseitigen Auseinandersetzung. Er hat eins der seltenen
Bücher geschrieben, in denen sowohl der ästhetische Gehalt des einzelnen Bildwerks
(wenn auch zuweilen vielleicht mit Oberschätzung seines Werts) wie die Eigenart
einzelner Gebiete, wie die künstlerische Tradition verschiedener Generationen, wie
die kulturelle Einordnung in größere Gruppen in richtiger Abwägung des Wesent-
lichen gleichzeitig berücksichtigt ist.

Gießen. Margarete Bieber.

Ernst Benkard, Das Selbstbildnis vom 15. bis zum Beginn des
18. Jahrhunderts. Berlin, 1927, Verlag Heinrich Keller.

Der Autor dieses schönen Werkes ist sich bewußt, in der vorliegenden ersten
monographischen Darstellung des Stoffes in solcher Gesamtheit nicht ohne Will-
kür eine Grenze gesteckt zu haben (LXXIX). Ein Einwand dagegen wird indessen
bedeutungslos vor der Tatsache, daß durch die gewählte Beschränkung unabhängig
von der historischen Abfolge der Schöpfungen Einblick geboten wird in das erste
Werden und ewige Wesen der geistigen Haltung, aus der das Selbstbildnis ent-
springt und verstanden werden muß. Der Autor lehrt, das Selbstporträt sehen vom
Menschen aus in einem übersubjektiven Sinn. „Der Künstler und in erster Linie
der Mensch" sei sein eigentliches Forschungsgebiet, bekennt Benkard (LXXX). Da-
her ist seine Betrachtung nicht „historisch" im Sinne einer Darstellung des Ge-
wesenen, weil es gewesen, sondern sie sucht aus geistigen Entscheidungen der Schaf-
fenden Typen der Gestaltung einsichtig zu machen. Besonders hervorzuheben für
diesen Forschungsweg ist, daß Benkard der gesamten gesellschaftlichen Lage sei-
ner Zeit und seiner Umgebung große Bedeutung für das Werden des Künstlers zu-
spricht. Es ist erstaunlich, zu sehen, wie nicht nur die Befreiung der Individualität
aus dem mittelalterlichen Lebenssystem gesellschaftlich-seelische Voraussetzung ist
dafür, daß überhaupt ein Künstler da^an denken kann, seine eigene Persönlichkeit
zum Gegenstand seiner Gestaltung im Bild zu machen (VIII). Dieser Tatbestand
versteht sich leichter, indessen gelingt es dem Autor zu zeigen, daß auch dann, wenn
die Persönlichkeit sich so weit als möglich befreit hat, wenn keine realen geistigen
Bande den Maler mehr fesseln, doch eine tief innere Gebundenheit sich dauernd er-
hält und die anscheinend so durchaus isolierte Kunst des Selbstbildnisses jeder pri-
vaten Willkür enthebt (LXXXIf.).

Es soll nur allgemein noch über die großen Gruppen berichtet werden, die Ben-
kard aufzeigt. „Unfreiheit" ist Erbe des Mittelalters. Sie bewirkt, daß das Selbst-
bildnis zuerst auftaucht in der „assistenza" heiliger Geschichten (XIII). Sie zeigt
sich auch darin bestimmend, daß der Mensch zunächst selbst noch in der Welt der
Dinge verharrt, wenn etwa Pinturicchio sein Selbstporträt in ein Stilleben mitten
 
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