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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 25.1931

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Wellek, Albert: Der Sprachgeist als Doppelempfinder: ein Beitrag zur musikalischen Psychologie und Ästhetik der Sprache
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https://doi.org/10.11588/diglit.14174#0242
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228

ALBERT WELLEK.

kundärempfindung), aus der erst gewissermaßen ursächlich im letzteren
Falle die Synopsie hervorgeht.

Unsere Tabelle formuliert alle sechs Urentsprechungen als musi-
kalische Synästhesien: die rechte Seite ist durchwegs von tonlichen
Erscheinungen besetzt. Tatsächlich lassen sich die übrigen Synästhesien,
etwa die Materialisationen von Licht und Duft, namentlich in älterer
Zeit, weniger leicht auf eine Formel bringen als die musikalischen; sie
sind aber in unserer Aufstellung zum Teil implicite mitenthalten. Wenn
wir nämlich Punkt 3ß ausnehmen, handelt es sich durchwegs um Gegen-
satzpaare, um korrelative Begriffe, die sich gegenseitig verneinen und
eben deshalb gegenseitig fordern; ihnen allen liegt das Prinzip zu-
grunde, daß hohe Töne auf der Plus-Seite, tiefe auf der Minus-Seite
stehen. Dementsprechend bilden die sämtlichen Korrelate von „hoch"
eine Plus-Reihe und die sämtlichen Zuordnungen zu „tief" eine Minus-
Reihe, deren einzelne Glieder untereinander in einer allgemeinsten Ent-
sprechung stehen. Und zwar stehen einander gegenüber (als
unter einander analog):

Auf der Plus-Seite: Auf der Minus-Seite:

dünn [klein] dick [groß]

scharf, spitz schwer, stumpf

schnell, leicht langsam, schwer

hoch (räumlich und tonlich) tief (räumlich und tonlich)

klar trüb

grell, leuchtend, satt blaß, grau, matt

hell, weiß dunkel, schwarz

warm (auch von Farben) kalt (auch von Farben)

vielfarbig, buntfarbig einfarbig, unbuntfarbig

klangvoll eintönig

stark schwach.

Natürlich ließen sich auch noch synonyme Ausdrücke und nächstver-
wandte Qualitäten zu dieser Reihe hinzufügen: so etwa fein — grob
zum ersten, hart — weich (dicht — locker, gegebenenfalls auch fest —
flüssig) zum zweiten, straff — schlaff5) zum dritten Paare; — auch
wären allenfalls die Geruchs- und Geschmacksqualitäten zu vermissen.
Für alle diese jedoch gilt, daß sie weniger leicht eindeutig unterzu-
bringen sind: d. h. die Zuteilung zur Plus- oder Minus-Seite macht
hier u. U. erhebliche Schwierigkeiten. Für Geruch und Geschmack gilt
wohl im allgemeinen, daß wohlschmeckend und wohlriechend, duftig,
würzig, frisch (+) gegen übelriechend und -schmeckend, stinkig, fade,
schal, dumpf (—) zu stehen kommt. Auch süß ist wohl vorwiegend posi-

5) Schon physikalisch in der Spannung der Saiten bei hohen und tiefen Tönen!
 
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