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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 25.1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.14174#0396
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382

BESPRECHUNGEN.

holungen von Worten vom mehrmaligen Gebrauch desselben Wortes redeten. Denn
wir sind sprechend niemals auf das individuelle Lautmaterial eingestellt, sondern im-
mer auf die eine „typische lautliche Gestalt", die sich an ihm darbietet. (Diese
Behauptung bleibt freilich nachprüfungsbedürftig. Kann wirklich Identität im stren-
gen Sinne bestehen zwischen gleichklingenden Wortlauten, die an verschiedenen Stel-
len desselben Satzes oder Satzzusammenhanges stehen, ohne daß damit die Abteilung
und Ordnung der Sätze verloren geht?) Daran schließen sich Beobachtungen über
lebendige und leblose Wörter, über den sprachlichen Satz als höhere Einheit über den
relativ unselbständigen Wörtern, über das Verhältnis von Satz und Wort, ferner
über Rhythmus und Tempo des Satzes, über seine Melodie und seine Stimmungs-
qualitäten, alles Ausführungen, die neue und wertvolle Gesichtspunkte bringen.
Schließlich wird eine doppelte Bedeutung der sprachlichen Lautgebilde im Ganzen
des literarischen Kunstwerkes festgestellt: eine Eigenbedeutung als besondere
„Stimme" des literarischen Werkes und eine Funktionsbedeutung für die Konstituie-
rung der anderen Schichten des literarischen Werkes.

In den z. T. sehr subtilen Untersuchungen der zweiten und nach I. zentralen
Schicht des literarischen Werkes, der der sog. Bedeutungseinheiten, — es
handelt sich dabei um die gedanklich-logischen Bestandteile des literarischen Werkes
— gelingt es I. vielfach, deren Struktur schärfer als bisher zu erfassen. Hervorzuhe-
ben ist die Unterscheidung von fünf verschiedenen Elementen der Wortbedeutung,
unter ihnen besonders die eines eigentümlichen „Richtungsfaktors", der einstrahlig
oder mehrstrahlig, variabel oder konstant, potentiell oder aktuell auf die von der Be-
deutung gemeinten Gegenstände hinweist. Von besonderer Wichtigkeit sind ferner
die Analysen über die Bedeutung des Verbum finitum. (Man vermißt allenfalls
nähere Aufklärung über die eigentümliche Konzeption des „idealen Begriffs", die in
diesen Ausführungen (bes. S. 87) und noch einmal am Schluß des Buches eine wich-
tige Rolle spielt.) Wertvoll ist ferner der Nachweis, daß die Wort bedeutung nur
ein künstlich abgetrenntes Element der Satz bedeutung ist, in der sie sofort eine
Modifikation erfährt. Die Hauptfunktion der Bedeutungseinheiten ist es nun, eine
Schicht von „Satzkorrelaten", vor allem die Sachverhalte zu entwerfen. Über deren
Struktur wird viel Neues und Beachtenswertes beigebracht. (Sie bildet eigentlich
eine besondere fünfte Schicht des literarischen Kunstwerkes, die sich von den vier an-
deren deutlich unterscheidet, insbesondere auch von der Schicht der „durch die Sach-
verhalte" dargestellten Gegenstände. So wäre es vielleicht zweckmäßig gewesen,
diese Schicht auch in der Kapiteleinteilung und in der Gesamtcharakteristik noch
schärfer als eigene Schicht herauszustellen.) Es folgen Ausführungen über die im
Aufbau der literarischen Werke besonders wichtigen Satzzusammenhänge, die sehr
fruchtbar und ausbaufähig sind, ferner über die Sachverhaltszusammenhänge und
über die Art der Gegebenheit von Sachverhalten. — Auch die Schicht der Bedeu-
tungseinheiten hat wieder eine doppelte Rolle. Sie stellt einmal eine (leicht über-
sehene) Schicht im literarischen Kunstwerk dar mit ganz spezifischen ästhetischen
Qualitäten, zu denen auch die Stileigentümlichkeiten gehören. Vor allem aber sind
sie es, die unmittelbar die Sachverhalte und durch sie hindurch die weiteren Schich-
ten des literarischen Kunstwerkes erschaffen. Die Sachverhalte sind dabei nach I.s
treffendem Vergleich wie durchsichtige und deshalb gewöhnlich unbeachtete Fenster.
Durch sie werden die Gegenstände „dargestellt". Ober die Arten der Darstellung
durch Sachverhalte und über die Zusammenhänge der dabei beteiligten Sachverhalte
finden sich aufschlußreiche Ausführungen; beachtlich sind besonders die Bemerkun-
gen über die Verbindung von Haupt- und Nebentext im Drama.
 
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