Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

DOI article:
Bemerkungen
DOI article:
Rischowski, Edith: Formprobleme der Porzellanplastik
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0113
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
BEMERKUNGEN.

99

Erinnerung an das ursprüngliche, meist wohl berühmte Kunstgebilde, das in der
Kopie reproduziert wird.

In der Porzellanplastik des 18. Jahrhunderts liegt es nun so, daß sie mit der
Übernahme des Stoffgebietes der großen Barockskulptur (Mythologie, Allegorie,
Amoretten) „sich in der stilistischen Gestaltung solcher Gegenstände von der
gleichzeitigen Steinskulptur nicht weiter entfernt hat, als es die Verschiedenheil
des Materials und die größere Freiheit der Gruppenbildung mit sich brachte" —
also eine Feststellung, die durchaus den oben dargetanen Zusammenhängen von
Stil und Material entspricht —, „es gibt Porzellanfiguren, die nur getreue Ver-
kleinerungen großer Marmorstatuen sind und die sich dennoch vollkommen in
den Porzellanstil einfügen, während andererseits ein erfolgreicher Modellmeister
wie Wilhelm Bayer seine Porzellanfiguren unbedenklich auch als große Marmor-
werke ausführte". (O. v. Falke a. a. O.) Damit ist ein neuer Sachverhalt gegeben.
Es kann sich nämlich allgemein nicht um Kopien im Sinne von Erinnerungs-
stücken handeln, weil die Voraussetzung einer allgemeinen Kenntnis des kopierten
Werkes in den meisten Fällen fehlen dürfte. Zudem aber handelt es sich ja auch
nicht nur um Verkleinerungen, sondern ebensogut um die Umkehrung: das Kabinett-
stück wird Monumentalplastik (ein Fall, der in der Antike nicht vorkommt). Gewiß
ist, daß bei der Änderung des Formates auch bestimmte Korrekturen vorgenommen
werden mußten, und die wirklich getreue, das würde heißen proportional-identische
Abwandlung, kann nur cum grano salis verstanden werden. So ist gerade über
Beyers viel besprochene Vergrößerungen zu sagen, daß z. B. die Artemisia in
Schönbrunn sich ... „namentlich in punkto Gewandung wesentlich von ihrem
Urbilde, der Ludwigsburger Porzellanfigur, und zwar nicht eben zu ihrem Vor-
teil", unterscheidet (Dernjac, Zur Geschichte von Schönbrunn, S. 72),
dagegen auch wieder, „die für die „Ruinen von Karthago" gemeißelte Sandsteinfigur
das Beyersche Modell ganz genau kopiert" (ebendort). In der Beurteilung der
Qualität gehen die Meinungen auseinander; Dernjac rindet offenbar die Monumental-
plastik schwächer als ihr Porzellanmodell, wogegen Sauerlandt der Ansicht ist,
daß die Möglichkeit, die Figürchen im großen Maßstab zu wiederholen, „nicht
eben für die Vorzüglichkeit der Ludwigsburger Porzellanmodelle Beyers als Klein-
bildwerke" spricht (Sauerlandt S. XXVII). Der Ausgangspunkt für die Bewertung
ist offenbar unsicher! Es ist gewiß nicht zu verkennen, daß die Umformung im
mindesten nicht auf das Format solche Rücksicht nimmt, wie das für die Terrakotten
der griechischen Antike behauptet werden konnte. Und zumal die Tatsache der Ver-
größerung spricht für eine ganz andere Bewertung oder vielmehr Nichtbewertung
des speziellen Charakters eines Formates. Auch ist eine Anlehnung, die über das
Motivische hinausgeht — nur s o kann man die Anlehnung im griechischen
Altertum ansehen —, in jedem Falle merkwürdig. Denn das Format ist ja nichts
Zufälliges und Akzessorisches, sondern selbst wesentlich bestimmend für das künst-
lerische Erlebnis und Träger ganz bestimmter Ausdruckswerte. Georg Simmel sagt
hierüber (Philosophische Kultur, S. 143): „Die allgemeine Herrschaft der Vorstel-
lung, der ästhetische Eindruck des Anschaulichen beruhe auf der reinen Form,
verbirgt es uns allzu oft, daß diesen Eindruck noch ein anderer Faktor bestimmt:
das Größenmaß, in dem der Eindruck sich bietet. Wir sind gar nicht imstande,
eine reine Form, d. h. das bloße Verhältnis von Linien, Flächen, Farben zu ge-
nießen, sondern wie unsere sinnlich-geistige Art nun einmal beschaffen ist, bindet
sie diesen Genuß an eine bestimmte Quantität solcher Formen. Diese Quantität
hat einen gewissen Spielraum, aber sie bewegt sich zwischen einer oft ganz unzwei-
deutigen Größe, bei der die Form, als solche ganz ungeändert bleibend, ihren
 
Annotationen