Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

DOI Artikel:
Koch, Herbert: Goethe und die bildende Kunst des klassischen Altertums
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0351
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Goethe und die bildende Kunst des klassischen
Altertums.*)

Von

Herbert Koch.

Wer heute die Millionenstadt Rom betritt, sieht sich einer erstaun-
lichen Erscheinung gegenüber. Das Rom, das Goethe gekannt und geliebt
hat, von dem bis vor einem Jahrzehnt noch ein immerhin großer Teil
erhalten war, ist nicht mehr. Das Gesicht der ewigen Stadt verändert sich
von Tag zu Tag. Die Reste des römischen Altertums lösen sich aus dem
lebendigen Zusammenhange der Jahrhunderte, werden isoliert, ein-
gezäunt, werden zu archäologischen Denkmälern, die an breiten Ver-
kehrsstraßen liegen. Das alte pittoreske Rom soll verschwinden und
verschwindet wirklich. Allenthalben entstehen neue Quartiere mit Riesen-
häusern eines recht fragwürdigen Stiles, zwischen denen etwa noch die
Villa Albani als kostbares Kleinod eingebettet liegt. Über dem Forum
des Trajan erhebt sich das Marmorgebirge des Monumento Vittoriano.

Ich erzähle das nicht, um zu klagen und alte Zeiten zurückzusehnen.
Abgesehen von allen Besserungen der Hygiene und des Verkehrs, man
darf sogar sagen, der Menschenwürdigkeit des Daseins — gerade der
Archäologe gewinnt ja ungeheuer viel, ihm kann es gleichgültig sein, ob
die Riesenarbeit der Freilegung und Wiederherstellung der Ruinen vor-
erst einmal einem historisch begründeten Imperialismus dienen muß. Die
Großartigkeit kaiserzeitlicher Baukunst ist jedenfalls noch niemals so
hervorgetreten wie heute, wo sie als Masse selbst dem Barock kaum mehr
viel nachsteht. Wer aber gar in der Campagna, in den Maremmen, in
den Pontinischen Sümpfen beobachtet, wie immer größere Flächen Lan-
des dem Getreidebau wiedergewonnen, damit zugleich gesund und be-
wohnbar gemacht werden, der wird erst recht nicht jammern, sondern
sich eher nachdenklich fragen, was wohl der Dichter des zweiten Faust
zu solchem Wandel gesagt haben würde. Gewiß nicht mehr das, was er
aus einem Briefe Wilhelm v. Humboldts in seinen Winckelmann auf-
genommen hat: „Ich kenne für mich nur noch zwei gleich schreckliche

*) Vortrag, gehalten für die Freunde des Humanistischen Gymnasiums Orts
gruppe Halle, am 15. Juni 1932.

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XXVI. 99
 
Annotationen