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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0088
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BESPRECHUNGEN.

Die Arbeitsweise von Helmut Schultz, die das Qesamtwerk einer Persönlich-
keit nicht in der Art einer historischen Aufreihung gibt, sondern durch konzen-
trische Verengung von den mehr abseits stehenden Qelegenheitsmusiken bis zur
künstlerisch notwendigen Schöpfung aufzeichnet, ermöglicht eine schnelle Über-
sicht über die zahlreichen und verschiedenartigen Kompositionen Vesques. Eine
glückliche Lösung der stilkritischen Untersuchung trübt nicht sondern erweitert
nur die Übersichtlichkeit: Kein einzelnes Aufzählen der Werke — das bleibt für
die Bibliographie des Anhangs —, keine schematischen Analysen, sondern ein auch
dem Laien verständliches Vergleichen mit allgemein bekannten Kompositionen der
gleichen Dichtungen; eine Art schnell erfaßbarer und lebendiger Stilkritik! Hoffent-
lich vervollständigt recht bald der versprochene Beispielband die bis jetzt leider
nur bruchstückhaften Notenbeispiele. Der Versuch, neue Begriffe in die musika-
lische Stilgeschichte einzuführen — wie u. a. S. 110 ff. die Abgrenzung des Be-
griffs „Schleifenlied" gegen die Form ABA, oder S. 102 die Aufstellung des Be-
griffes „Sublimierung des Tonsymbolischen" — hebt die Arbeit über den Rahmen
einer rein „historischen" Studie hinaus.

Berlin. Anneliese Landau.

Paul vom Hagen: Richard Dehmel, Die dichterische Kom-
position seines lyrischen Oesamtwerks. Heft 115 der German.
Studien, Berlin 1932, Emil Ebering. 279 Seiten.

Die Komposition lyrischer Sammlungen stellt den Dichter vor eine Aufgabe
ganz besonderer Art: Jedes Gedicht ist entstanden als Einzelwesen für sich, emp-
fangen bei einer ganz eigentümlichen „Gelegenheit"; und nun sollen hinterher
nicht nur einige solcher Gedichte zu einem Ganzen sich zusammenschließen, son-
dern allesamt, wie sie da sind in bunter Mannigfaltigkeit, müssen sie in der Ge-
samtausgabe untergebracht werden. Das Äußerste, was sich bei solcher Entstehung
vom Einzelnen her erreichen läßt, ist eine sinnvolle Zusammenstellung, eine Kom-
position, nicht aber ein wirklicher Organismus. Dazu genügt es sicherlich nicht,
daß die Gedichte von Einem Dichter herstammen und also in der Grundhaltung
verwandt sein mögen. Sondern ein echter organischer Aufbau setzt doch wohl
voraus, daß vom Ganzen her gestaltet wurde, daß eine Zentralidee von vornherein
die Führung übernahm.

Als Organismen im strengen Sinne können höchstens zwei von Dehmels Ge-
dichtbänden gelten: Die Verwandlungen der Venus und Zwei Menschen, sonst am
ehesten noch Der Kindergarten. Wenn auch bei den Z.M. ursprünglich zwei Ein-
zelballaden vorhanden waren, so bedeuten sie doch nur Ansatzpunkte für den gro-
ßen Leitgedanken, der erst den Roman in Romanzen hervortrieb. Bei dieser Sach-
lage ist es nicht erstaunlich, daß vom Hagens Kompositionsaufweise bei den bei-
den genannten Gedichtzyklen am überzeugendsten gelungen sind. Selbst die Aus-
deutungen des Raumes (wieviel Unfug wird aber heute mit diesem Modewort an-
gestellt!) in den V.d.V. sind beweiskräftig.

Bei den übrigen Bänden dagegen scheint sich mir die Auslegung oft allzu
sehr ins Einzelne und dadurch ins Gekünstelte zu verlieren. Hier lassen sich
m. E. Kompositionstendenzen im allgemeinen nur an ganzen Gruppen und Blöcken
aufzeigen. Der Fall liegt ähnlich wie beim vielumstrittenen Problem der geschicht-
lichen Entwicklungen: Ein wirklich überzeugender Eindruck entsteht nur, wenn wir
die Dinge aus dem gehörigen Abstand betrachten; es gibt geradezu einen Blick-
punkt der größten Sehschärfe (der sich leider nur sehr schwer methodisch fest-
legen läßt); treten wir zu nahe heran, so wird die „Linie" nicht geklärt und
gesichert, sondern im Gegenteil verwirrt und verzerrt bis zur Auflösung; als Kon-
 
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