Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0103
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
BESPRECHUNGEN.

89

nirgends die Rede ist. Einzig Le Corbusier preist auch die Harmonie seiner Bauten
der Zukunft in Gegensatz zur Kakophonie der Gegenwart, und gerade für ihn
glaubt der Rezensent nachgewiesen zu haben (Göttingische Gelehrte Anzeigen 1931),
wie das Artistisch-Individualistische seiner Kunst soziologisch noch dem späten
19. Jahrhundert verhaftet ist. Die Anderen sprechen von möglichst tadelloser Er-
füllung gestellter Bauzwecke und von der ihnen gemeinsamen kollektivistischen
Weltanschauung. Ja, bei der Entscheidung wichtiger Einzelfragen siegt diese über
jene, so etwa bei der Ablehnung der Gartenstadt. Für Gropius geben da im Grunde
doch wohl nicht seine S. 46 zusammengestellten Argumente den Ausschlag, son-
dern sein Glaube an die „weltanschauliche und politische entwicklung" der Zukunft,
die auch er sich einzig kollektivistisch vorstellen kann. Es handelt sich hier nicht
darum Stellung zu nehmen. Es soll allein der Blick auf ein Problem gelenkt wer-
den, das nach der Überzeugung des Rezensenten allerdings für die aktuelle Kunst-
wissenschaft von einiger Bedeutung ist: Wie ist es zu erklären, daß wir gerade in
den Jahren wieder einen echten Baustil bekommen, da den Schöpfern dieses Stiles
selbst in radikalem Gegensatz zu ihren Vorgängern im 19. Jahrhundert die Stil-
fragen ganz zurücktreten? Noch den Meistern des Jugendstiles (in jenem weiten
Sinne als einer vollwertigen Stilphase, wie ihn Michalski dargestellt hat) war es um
das Machen eines neuen Stiles gegangen. Heute ist er da, und die Architekten
fragen überhaupt nicht nach ihm. Indem sie zweckmäßig bauten und die „Fassaden-
Gesinnung" des 19. Jahrhunderts ablehnten, entstand er unter ihren Händen, —
zum ersten Male seit so langer Zeit wieder „non fatto, ma veramente nato". Und
indem sie den Kollektivismus propagieren, gelangen sie zu Kunst formen, die,
den Schöpfern selbst zunächst unbewußt, adäquater Ausdruck eben dieses Kollek-
tivismus sind. Disputieren über ästhetische Fragen wäre mit keinem von ihnen heute
mehr möglich. Sie würden nicht imstande sein, solche aus der Verbindung mit prak-
tischen und politischen Fragen zu lösen. — Weiter soll hier nicht gegangen werden.
Fürs erste kann der Hinweis auf den überraschend engen Zusammenhang genügen,
in dem die Entstehung und der Charakter des heutigen Baustiles mit der rein zweck-
lich gerichteten, kollektivistischen Gesinnung seiner Schöpfer steht.

Göttingen. - Nikolaus Pevsner.

F. Wirth: Der Stil der Kampanischen Wandgemälde im Ver-
hältnis zur Wanddekoration. S. Abdr. aus: Mitteilungen des Deut-
schen Archäolog. Inst. Rom. Abt. XLII 1927, 83 S. mit 9 Textabb. und
12 Bildbeilagen.

Nicht das Endergebnis der obigen Abhandlung (Münchener Dissertation), das
die Verteilung einer größeren Anzahl campanischer Wandgemälde auf drei ver-
schiedene Stilgruppen bezweckt, steht hier in Frage. Seine Nachprüfung bleibe der
klassischen Archäologie überlassen, die inzwischen mit Erfolg in dieser Richtung
fortgearbeitet hat. Was die kunstwissenschaftliche Kritik gleichwohl auch heute noch
herausfordert, ist allein die Methode der Betrachtung. Sie besteht in der Anwen-
dung der Grundbegriffe H. Wölfflins auf ein ihrem Stammbereich sehr fern liegendes
Gebiet künstlerischer Tatbestände. Nach dem Erscheinen seines kunsttheoretischen
Begriffssystems sprach ein bekannter Forscher bei voller Würdigung der darin be-
schlossenen Leistung die Befürchtung aus, daß seine Begriffspaare in der Hand von
Jüngern und Nachfolgern leicht zu Greifzangen werden könnten, um alle mög-
lichen Sachverhalte in diese Kategorien hineinzupressen, — wenngleich Wölfflin
selbst die Möglichkeit anderer ergänzender oder abweichender Begriffsbildung keines-
wegs ausgeschlossen hatte. Im vorliegenden Falle scheint mir solche Befürchtung
sich weitgehend bewahrheitet zu haben.
 
Annotationen