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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0105
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BESPRECHUNGEN.

91

auch nur in seiner üppigsten Wucherung. Wenn der Verfasser nun diese drei Stile
im Sinne des wechselnaen Zeitgeschmacks, auf Mau fußend, als hellenistisch, auguste-
isch und flavisch kennzeichnet, so ist dazu zu bemerken, daß der dritte nach den
neuesten Feststellungen von L. Curtius zeitlich teils mit dem zweiten, teils mit dem
vierten, der aus diesem unmittelbar hervorwächst, zusammenfällt und demnach
augenscheinlich nur eine etwa bis in die Neronische Zeit hineinreichende Neben-
strömung darstellt. Auf eine allgemeine Wandlung der Sehweise ist schon deshalb
aus ihm nicht zu schließen.

Bei der Vergleichung der Bilder mit den Dekorationen wird die Frage nach
deren ikonographischer (bzw. typologischer) Herkunft ausgeschaltet, von der doch
die Bildgestaltung letzten Endes keinesfalls völlig unabhängig ist. Vielmehr wird
zunächst an drei typischen Beispielen die vermeintliche Übereinstimmung zwischen
diesen und jenen für die drei Stile festgestellt. Da sie frei ausgewählt sind — die
wenigen sich in jedem der Stile wiederholenden Vorwürfe, wie die Bewachung der
Io, werden als ungeeignet beiseite geschoben —, so können sie freilich nur im Sinne
des Verfassers als typisch gelten. Und doch gelingt ihre Unterwerfung unter die
Wölfflinschen Grundbegriffe wiederum nur mit Hilfe sehr geschraubter Bewertung
des Tatbestandes. So muß bei der als Musterbeispiel des zweiten Stils herangezoge-
nen Lautenschlägerin aus Boscoreale die Verdeutlichung (bzw. Verhüllung) der Innen-
form durch Halbschatten und die Wiedergabe in Schrägansicht nebst Überschnei-
dung der dahinterstehenden Dienerin durch den Lehnstuhl dazu dienen, die Gesamt-
auffassung als malerisch und tiefenhaft und zugleich den Aufbau (ohne Anschluß an
den Rahmen) als atektonisch zu erweisen, sowie die Farbengebung in Braun und
Graugrün auf leuchtend rotem Hintergrunde sich als harmonisch, d. h. auf Sub-
ordination beruhend, zu erkennen gebe. Dagegen seien in der Opferszene aus dem
Hause des Spurius Mesor in Pompeji alle Wesensmerkmale des dritten Stils ge-
geben: lineare Form, da sich die beiden Gestalten in reinem Umriß von dem neu-
tralen hellen Hintergrunde der Mauer abheben und die Einzelheiten plastisch her-
vortreten, schichtmäßige, also flächige Raumgestaltung — trotz der schrägen
Wandfläche in der 1. Bildhälfte und des über Eck gesehenen Altar? —, symmetrische
Anordnung beider Figuren in Hauptansichten, tektonischer Aufbau innerhalb des
Rahmens sowie ein Nebeneinander (Koordination) reiner Spektralfarben. Daß hier
die Bestimmungen überwiegend zutreffen, soll nicht bestritten werden, doch darf
nicht übersehen werden, daß die betr. Abbildung nach einer auf eine Aquarellkopie
zurückgehenden Lithographie hergestellt ist, in der manche Züge wohl noch kräf-
tigere Ausprägung gewonnen haben. Wenn der Verfasser endlich den vollen Gegen-
satz dazu in dem den vierten Stil vertretenden pompejanischen Gemälde von
Herakles bei Omphale erblickt, so beruht er zum guten Teil jedenfalls auf den bei-
den Bildern zugrunde liegenden ganz verschiedenartigen Vorbildern. Haben wir es
dort mit einem geschlossenen, wenngleich noch altertümlich streng aufgebauten
Bildraum zu tun, so ist die Wirkung hier mehr die eines in zwei ineinandergreifen-
den Plänen gehaltenen Hochreliefs. Daß zwischen den vorderen und hinteren Ge-
stalten Verflechtung stattfindet und in ihrer Haltung (zumal des trunkenen Helden)
die strenge Vertikale vermieden ist, läßt zwar keine reine Flächenwirkung, aber eben-
sowenig eine ausgesprochene Tiefenbewegung aufkommen. Dieser Begriff paßt
ebenso schlecht auf das Bildgefüge, wie der des Atektonischen für den Aufbau mit
der unbeträchtlichen Überschneidung durch den nahezu ausgefüllten Rahmen zu
begründen ist oder in der Gliederung von Subordination (unter die Hauptgestalt)
die Rede sein kann. Wie die Farben als gebrochen und ihre Zusammenstimmung
als ein Ineinander bezeichnet werden können, erscheint vollends gegenüber der
farbigen Abbildung (bei Herrmann-Bruckmann) mit ihren kräftigen Kontrasten
 
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