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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0109
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BESPRECHUNGEN.

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geführten, im wesentlichen doch nur analogisch-medizinisch interessierenden Einzel-
studien menschlicher Organe nur ungern einen Qesamtentwurf von so gewaltiger
künstlerischer Kraft und Größe wie die berühmte Abdomen-Studie in
Windsor. Doch das sind wie gesagt private Wünsche, die angesichts der positiven
Werte der Bodmerschen Arbeit nur in parenthesi geäußert werden sollen. Es ist und
bleibt ein außerordentliches Verdienst des Herausgebers wie des Verlegers, daß aus
den sonst nur in den Riesenfolianten der Bibliotheken zugänglichen Schätzen der
Originalmanuskripte hier endlich einmal die edelsten Stücke einer weiteren und
engeren Öffentlichkeit in einwandfreien, zum wesentlichen Teil mit größter Mühe und
Kosten hergestellten Neuaufnahmen zugänglich gemacht und damit die unverfälschte
künstlerische Handschrift des Meisters vermittelt wurde.

Dresden. _ Edmund Hildebrandt.

Alexander Friedrich, Handlung und Gestalt des Kupfer-
stichs und der Radierung. Essen. Fredebeul und Koenen. 1931.
Die Frage, ob den Werken der Druckgraphik spezifische ästhetische Qualitäten
eignen, die sie von jeder anderen Form der Schwarz-Weiß-Kunst abheben, ist
ernstlich noch nicht gestellt worden. Vielleicht konnte sie von Beurteilern, die nur
den fertigen Druck vor Augen haben und ihn mehr oder minder als eine Art der
Zeichnungsreproduktion ansehen, was er in der Absicht ursprünglich gewiß auch
gewesen, gar nicht eigentlich gestellt werden. Zwar vermag niemand, der mit
graphischen Blättern umzugehen gewöhnt ist, die spezifischen Eigenheiten, die aus
den verschiedenen Techniken sich ergeben, zu übersehen, er kennt die besonderen
Schönheiten des Kupferstichs, der Radierung, der kalten Nadel, aber es hat noch
niemand versucht, mit der Deutung dieser unterschiedlichen Qualitäten eben als
solcher wirklich Ernst zu machen und aus ihren technischen Bedingtheiten die
künstlerischen Möglichkeiten, aber auch Notwendigkeiten für jede dieser drei For-
men des Tiefdrucks zu entwickeln.

Ein Künstler, der wie wenige in allen Techniken des Kupferdrucks erfahren
ist, hat diesen Versuch unternommen, und wie seine Gedankengänge wesentlich
aus dem Eigenerlebnis des Arbeitsvorganges gewonnen sind, so nehmen seine Deu-
tungen mehr Bezug auf das, was in dem Titel des Buches als „Handlung", denn auf
das, was als „Gestalt" verstanden sein will. Aus der grundsätzlich verschiedenen
Form der Bearbeitung der Platte in den drei Verfahren, die er beschreibt, ergibt
sich die notwendige Gegensätzlichkeit der Ausdrucksmöglichkeiten. Sehr scharf
wird zwischen Platte und Druck unterschieden, und es wird mit Recht gegen die
oberflächliche Art polemisiert, in der üblicherweise die Analyse des Druckes Ein-
zelheiten, die sich auf den Werdegang der Platte beziehen, in sich aufnimmt,
oder Qualitätsbezeichnungen des gedruckten Striches unbekümmert auf die ihm
entsprechende Furche im Kupfer bezogen werden.

Für den von einer wahren Leidenschaft für seine Kunst besessenen Graphiker
aber ist die „Handlung" das wesentliche und die Kupferplatte das eigentliche
Objekt seiner Betrachtung, in der Entstehung des Kupferstiches, im Werden der
Ätzung, in den freien Zügen der kalten Nadel ist ihm das Geheimnis der künstle-
rischen Form beschlossen, und der Druck bedeutet ihm nicht viel mehr als den Ab-
fall von der reinen Urform der Graphik, den Verrat an der eigentlichen Gestalt der
Platte, die Unbrauchbarmachung des Plattenwerkes, die gänzliche Vertuschung aller
in Stich und Radierung bloßgelegten Schöpfungsprozesse, die Verhunzung des fer-
tigen Werkes durch den Druck — es sind wörtliche Zitate, denen nur dieses letzte
noch hinzugefügt sei: „Also stellt sich uns das Drucken von gestochenen und radier-
ten Platten dar als ein Verrat an der sinnlichen Leibhaftigkeit des Werkes und
eine Verleu-gnung des Körpers schlechthin".
 
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