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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0220
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206

BESPRECHUNGEN.

gebracht hat, und der uns vorliegenden Studie den Untertitel gegeben hat: „Zwi-
schen Hegel und Nietzsche".

Gewiß kommt in diesem scharf- und tiefempfindenden Menschen ein ganzes
Stück moderner Unruhe zum Ausdruck. Ohne, soviel ich weiß, Schopenhauer recht
gekannt zu haben, hat er manchmal Schopenhauersches gedacht, geschrieben, ja
vielleicht vorweggenommen. Außerdem hätte er zum Vorgänger Nietzsches werden
können, wenn er nicht durch mächtige Einflüsse des Milieus, durch eine Schulbil-
dung, die geistige Freiheit mit seltener Sittenstrenge und echter Autorität verband,
zum Moralisten erzogen worden wäre, der bis zuletzt standhielt und die Krise der
Zeit immer wieder überwand. Moralist war er und ist er geblieben, auch in seinen
freiesten ästhetischen Betrachtungen und dichterischen Ergüssen, so sehr, daß selbst
bei seinen uninteressiertesten Kunsturteilen das Ethische stets mitklingt. Ob von
Naturalismus, von Formalismus, von der „Tendenz" in der Kunst die Rede war
— immer blieb die Sorge um das Moralische (das sich doch „von selbst versteht"!)
auf mehr oder weniger bewußte Weise entscheidend.

So ist er selber ein denkwürdiges Beispiel geworden für die Unzerstörbarkeit
jenes „oberen Stockwerks", von dem er so oft gesprochen hat. „Sublimierung"?
Dann eine vollkommen gelungene! Damit verlassen wir aber den Boden der Ästhe-
tik. Dem Geisteswissenschaftler wird es vielleicht einmal eine schöne Aufgabe sein,
zu erklären, wie bei einem „homo strenuus", wie F. Th. Vischer einer war, die so-
genannte „Sublimierung" sich als dauernde, unverrückbare, allen Widersprüchen der
Welt trotzende, alle Stöße eines langen Daseins überlebende Macht erweisen kann.

Grenoble. Oswald Hesnard.

Walter Koch: Psychologische Farbenlehre, die sinnlich-
sittliche Wirkung der Farben. Carl Marhold Verlag, Halle a. d. S.
1931. V und 325 S. Geh. 6.—, geb. 8.— RM.

Trotz des Titels handelt es sich nicht um ein wissenschaftliches Buch, sondern
um eine nur äußerlich geordnete Zusammenstellung von verschiedenen Gedanken
über Farbe, die teils tatsächlich wissenschaftlichen Arbeiten, teils dichterischen
und schriftstellerischen Werken, teils der unkritischen Popularmeinung entnommen
sind. Dabei kommt es dem Verfasser nicht darauf an, Widersprüche unaus-
geglichen nebeneinander stehen zu lassen. Der Versuch einer geistigen Bewältigung
des Farbgebietes ist nicht gemacht. Die einzelnen Quellen (wie etwa auch die
Untersuchungen des Ref.) sind in unbegreiflichen Bruchstücken und ohne auf
ihren Sinn einzugehen benutzt. Fragen wie die des sogenannten assoziativen
Faktors, der Wechselwirkung innerhalb von Farbmehrheiten, der dynamischen
Farberlebnisse, der Einordnung der ästhetischen Farbbetrachtung in sonstige psy-
chische Vorgänge und andere Fundamentalprobleme des Gebietes sind entweder
gar nicht berührt oder nur sehr unvollkommen angedeutet und nirgends über ihren
bekannten Stand hinaus gefördert.

Sätze wie der: „Keine niedere Gattung organischer Lebewesen kann sich des
Besitzes der weißen Farbe rühmen, schmutzig leben die meisten Tiere dahin und
jede Roheit fürchtet das Weiß" (S 55), was sich durch einen Blick durchs Mikro-
skop auf primitive Tiere verschiedenster Art sofort widerlegen läßt, sind ziemlich
zahlreich. Auch im Bereich der kunsthistorischen Beispiele gibt es viel Anfechtbares.

Erfreulich ist die Begeisterung des Verfassers für die Farbe und seine leb-
hafte nach Formulierung drängende eigene Reaktion. Er würde für Farbunter-
suchungen wahrscheinlich ein sehr anregender Beobachter sein.

Greifswald. Johannes von Allesch.
 
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