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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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Tietze, Hans: Zur Psychologie und Ästhetik der Kunstfälschung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0223
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Zur Psychologie und Ästhetik der Kunstfälschung.

Von
Hans Tielje.

Die Literatur über die Fälschung und Verfälschung von Kunstwer-
ken spiegelt die Unklarheit des Gebietes wider, mit dem sie sich befaßt.
Die diesem zuzuzählende Produktion ist offenbar ein Teil künstlerischer
Betätigung, aber durch Merkmale gekennzeichnet, deren Beurteilung in
eine andersartige Kompetenz fällt; und die für die letztere Zuständigen
sind zumeist nicht in der Lage, der Besonderheit des künstlerischen
Schaffens gerecht zu werden und fühlen die gelinde Lächerlichkeit, mit
den Hebeln und Stangen ihres beruflichen Rüstzeugs einem gaukelnden
Kobold zu Leibe zu rücken. Juridisch ist die Kunstfälschung ein Irr-
licht, kunstwissenschaftlich eine Interpretation von Vorbildern, die sich
wegen bestimmter ihnen eigentümlicher Eigenschaften einer übermäßi-
gen Wertschätzung erfreuen, und von anderen Deutungsweisen nicht
so sehr gradweise wie durch ihre Konflikte mit Werten geschieden, die
entweder völlig außerhalb des Künstlerischen oder aber so sehr an des-
sen Rande liegen, daß sie nur einer historisch bedingten Auffassung
noch als Bestandteile des Künstlerischen erscheinen. Diese eigentüm-
liche Zwischenstellung hat eine zusammenfassende Behandlung des
weitverzweigten Fälschungsproblems verhindert. Den Männern vom Bau
schien nur der konkrete Fälschungsfall erheblich; sie haben tausende
einzelner Fragen kritisch untersucht oder ihre technischen Bedingungen
sachkundig erörtert, aber den ganzen Komplex als solchen einer dilet-
tantischen Schriftstellerei überlassen, die in diesem Reich der halben
Wahrheiten besonders üppig gedieh. Sie hat entweder die Gefährlichkeit
des von ihr geschilderten Betriebes geflissentlich übertrieben und durch
ein Weiterschleppen unverbürgter — und durch die eigentümliche Men-
talität der beteiligten Kreise zumeist nicht zur Gewißheit erhärtbarer —
Anekdoten eine Atmosphäre wohligen Gruseins und blinden Mißtrau-
ens geschaffen oder aber, umgekehrt, in begreiflicher Reaktion gegen
das Geflunker sogenannter „Eudeliana"1) und in Wahrung berechtigter

!) Nach dem Buch von Paul Eudel, Le Truquage (deutsch „Die Fälscherkünste",
1885, neubearbeitet von A. Rößler, 1909, das immer noch die bekannteste Zusammen-
stellung ist).

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XXVII. 14
 
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