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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0313
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BESPRECHUNGEN.

299

hange mit den tiefsten Problemschichten der Kr. d. U. sieht, dann wird man über
alle Differenzen hinaus auch die bisher noch niemals bemerkte Übereinstimmung
mit der tiefsten Einsicht Goethes nicht verkennen, wonach die Idee als „das Wahre,
mit dem Göttlichen identisch", die Eine Idee ist, die „immer zur Erscheinung
kommt, und daher als Gesetz aller Erscheinungen uns entgegentritt". Und blickt
man von hier aus einmal auf Hegel, dann wird einem die tiefe Art und Weise
verständlich, in der dieser selbst sein Verhältnis zu Goethe gesehen hat.

Für Goethes ureigene Anschauungs-Weise — dieses Wort ist dabei in wört-
licher Bedeutung zu nehmen — ist hinsichtlich des Verhältnisses von Idee und
Erscheinung aber vor allem deren Durchdringung im Symbol charakteristisch. Das
stellt Weinhandl auf umfassende und tief eindringende Weise im ersten Abschnitt
des dritten, die „Metaphysik des Symbols" behandelnden Hauptteils heraus. Wenn
ich sagte, das Wort „philosophische Anschauungsweise" sei bei Goethe in wört-
licher Bedeutung zu nehmen, so darf das nicht heißen, es sei in begriffslosem
Sinne zu nehmen. Man darf eben nicht vergessen, daß wir nach Goethe „schon bei
jedem aufmerksamen Blick in die Welt theoretisieren" und daß „kein Beschauen
ohne Denken" ist. So kann denn Weinhandl im Fortgang seiner Untersuchung auch
am Gestaltgedanken zeigen, daß er Begrifflichkeit und Gesetzlichkeit nicht aus-,
sondern ein-schließt, und daß die durchgehende Grundgestalt im Folgeverlauf der
Erscheinungen die diese beherrschenden Grundverhältnisse gerade für das An-
schauen hervortreten läßt. Es ist die Idee selbst, die, wie der ziävxa dv/jxayv ?.6yog
bei Heraklit, durch die werdenden Erscheinungen hindurchgeht und ihnen in ihrer
Besonderung den Charakter gibt. Bei ihm kommt es gerade auf das unterscheidende
Eigene an, das sodann durch „Steigerung" das Wertmoment des Bedeutens und der
Bedeutung erhält. (Charakter im „höheren Sinne" bei Goethe.) So wird mit dem
Problem der Idee und dem der Gestalt bei Goethe das Wertproblem systematisch
verbunden.

In gewissem Sinne ist damit schon vorbereitet, was das nächste Kapitel als
„Physiognomik des Kunstwerks" behandelt, insofern es gerade die Charakteristik
des Besonderen ist, die von Goethes Ästhetik aus die Metaphysik des Symbols auf-
hellen hilft. Aus der philosophischen Ästhetik wird wiederum nur Kant herangezo-
gen, obwohl ein Eingehen auf Hegel hier vielleicht ganz besonders ergiebig gewesen
wäre. Und auch bei dem Eingehen auf Kant wird wieder nur die eine, und eben
nicht die tiefste, Bedeutung der Idee herangezogen, um das Verhältnis zu erörtern,
wenn es einmal heißt: „Das Verhältnis der Ästhetik Goethes zu der Kants ist durch
den verschiedenen Ideenbegriff beider festgelegt. Gerade weil für Goethe die Idee
nicht, wie für Kant, der Erscheinungswelt entrückt, sondern in ihr selbst wirksam
ist, gerade darum braucht er nicht wie Kant bei der leeren Idee1) der Einheit und
Zusammenstimmung überhaupt stehen zu bleiben, sondern kann den Manifestatio-
nen der Einheit in der Art von höheren und geheimen Gesetzen der Natur und des
Geistes nachgehen, die sich eben im Schönen und durch das Schöne offenbaren."
Wesen und Wirkung des Schönen werden nun nach ihrer Bedeutung innerhalb des
ganzen Goetheschen Denkens durch Herausstellung bestimmter Grundcharaktere
gekennzeichnet. Dadurch wird Goethes Aufklärung der ästhetischen Grundfragen
zugleich als eine „Physiognomik des Kunstwerks" erwiesen, wobei vor allem zur
Entfaltung gelangt, was der erste Teil der Untersuchung vorbereitet und vorgear-
beitet hatte. Für die Goethesche Metaphysik des Symbols werden im Fortgange der
Darstellung und in glücklicher Auswahl vor allem „das Märchen", die „Weissagun-

x) Diese Bezeichnung trifft aber selbst nicht einmal auf die schwache Seite des
Kantischen Ideen-Gedankens zu.
 
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