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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0359
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BESPRECHUNGEN.

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bert C y s a r z gewidmet. Wie dem an sich ungegliederten Ablauf der Reihe lite-
rarischer Erscheinungen, ungegliedert wie an sich als Tatsache jeder Geschichts-
ablauf überhaupt, ordnend beizukommen sei, um seine verwirrende Vielheit über-
schaubar zu machen und in ihr zugleich auch einen Sinn zu finden, ist mit Recht
eine Hauptsorge der Literaturwissenschaft, wobei es nicht ausbleiben kann, daß
Sinn suche im einzelnen Sinn g e b u n g wird. Wie in der allgemeinen Geschichte,
so auch in der Geschichte literarischer Lebensäußerungen hat man von jeher Ge-
setzmäßigkeit und Sinn des Ablaufs eben in Ablaufsperioden gesehen. C. erörtert
historisch-theoretisch die Möglichkeiten und Schwierigkeiten dieser Versuche, indem
er auch auf Unter- und Überbauten derselben, auf die Zusammenhänge der Lite-
raturwissenschaft mit anderen Zweigen allgemeiner Kulturgeschichte hinweist.

Auch auf Generationsfragen kommt Cysarz zu sprechen, und so fallen seine
Darlegungen zu einem kleinen Teil in den Bereich des folgenden Beitrags „Die
literarischen Generationen" von Julius Petersen. Gerade von C.s weithin-
schweifender Darstellungsweise, der es nicht gegeben ist, einen Fragenkreis wie
den hier behandelten scharf umrissen und übersichtlich gegliedert ins Bewußtsein
zu heben, sticht diejenige Petersens wohltuend ab. Der Verfasser macht in seinen
Ausführungen überzeugend klar, wie verschieden gedeutet und auch deutbar der
Begriff Generation in den Wissenschaften sei, als wie außerordentlich verwickelt
sich der naturwissenschaftlich so einfache Begriff Generation bei der Übernahme
in die Geschichte überhaupt, in die Kunst- und Literaturgeschichte im besonderen
erweise. Nur das sei klar, daß die Gesetze physischer Genealogie keinen Be-
stand im geistigen Leben haben, dort ihren Sinn verlieren. Die Hauptdeutungen des
Generationsbegriffs werden an Hand der Theorien etwa von Ottokar Lorenz, Wil-
helm Scherer, Wilhelm Pinder, Hans von Müller, Eduard Wechssler dargelegt,
auf die erste auf das Generationsprinzip begründete Literaturgeschichte, die von
Eriedrich Kummer, wird besonders hingewiesen. Die Hauptschwierigkeit für die
generationsmäßige Erfassung einer geschichtlichen Zeitspanne, die andererseits
höchst fruchtbar, ja notwendig ist, liegt in dem Umstand, daß in ihr jeweils mehrere
Generationen nebeneinander leben, gegeneinanderstoßen, sich überschneiden. Dieses
Zusammen in seinen unendlich verschiedenen möglichen wechselseitigen Bezug-
nahmen gilt es generationsmäßig zu durchleuchten. Der generationsbildenden Um-
stände und Wirkungen sind sehr viele. Ist für eine Generationsgemeinschaft im
allgemeinen die Gleichaltrigkeit von grundlegender Bedeutung, so liegen doch schon
in der Vererbung besondernde Einflüsse vor; individuelle Anlagen führen zu Grund-
typen. Mehr aber als Gleichaltrigkeit an sich wirken zum Generationszusammen-
schluß die infolge jener zu gleicher Zeit wirkenden Bildungselemente wie Schule
und Universität. So scheint die Generationseinheit mehr sich zu bilden als, wie
man früher wohl glaubte, als solche geboren zu werden. Indessen sind Gleich-
altrige gerade auch ganz verschieden geartet — es gibt unter ihnen stets sowohl
Nachzügler wie Vorläufer —, und einzelne nehmen neben ihrer Generationsgemein-
schaft- oft genug eine Sonderstellung ein. Nun ist jeder geschichtliche Zeitpunkt
aber Erlebnis stets für mehrere gleichzeitig lebende, sich zeitlich überschneidende
Generationen, und jede Generation stellt sich den gleichen geschichtlichen Er-
eignissen gegenüber sehr verschieden ein, vertritt andere Wertungen, steht zu
andern Führern, spricht oft eine andere Sprache. Auch die landschaftliche Bin-
dung ist neben den verschiedenen zeitlichen für die Generationsbildung nicht zu
unterschätzen. P. versteht es, durch klare, durchsichtige Linienführung und an
Hand einer Fülle trefflicher Beispiele aus dem Umkreis im wesentlichen der
 
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