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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0363
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BESPRECHUNGEN.

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wieder sind ebenso scharf auseinanderzuhalten: die Durchdringung des Kunst-
werks selbst, losgelöst von seinem Schöpfer, und die Erfassung des Künstlers als
schöpferischen Menschens; „denn als Künstler ist er sein Werk und kein Mensch".
Und schließlich muß noch der „Künstler", besser das Künstlertum am Künstler
betrachtend losgelöst werden vom rein Persönlichen seines Menschentums; denn
der schöpferische Mensch ist einerseits „menschlich-persönlich, andererseits ist er
unpersönlicher, schöpferischer Prozeß". Die psychologische Fragestellung am Lite-
raturwerk aber verlangt weitere Unterscheidungen. Anders ist die psychologische,
anders die literaturwissenschaftliche Einstellung zum, verschieden diese und jene
Wertung am literarischen Werk; kann doch etwa eine literarisch wertlose Dichtung
psychologisch besonders wertvoll sein. Ferner kann etwa ein „psychologischer"
Koman gerade um der bewußten psychologischen Stellungnahme seines Verfassers
willen für psychologische Fragen weniger ertragreich sein als ein sich ganz und
gar „unpsychologisch" gebender. Die Haupterörterungen J.s gelten schließlich der
Unterscheidung zweier grundverschiedener Dichtungsarten, die er als (in um-
fassenderem Sinn) „psychologische" und als „visionäre" bezeichnet. Als Beispiel
für jene führt er u. a. Faust 1, für diese Faust II an. Visionärer Dichtung im
Gegensatz zu psychologischer liegt nach J. ein „echtes Urerlebnis" zugrunde, kein
irgendwie abgeleitetes, keine Verhüllung. Wenngleich diese letztere Gegenüberstel-
lung m. E. nicht so überzeugend erscheint wie die früher erwähnten, so trägt auch
sie dazu bei, die Fragestellung „Psychologie und Dichtung" zu vertiefen, die in
ihrer Gesamtheit zur Aufdeckung wertvoller Unterscheidungen und Wesenseigen-
tümlichkeiten von Dichtwerken anleitet.

Im folgenden Aufsatz versucht Emil Ermatinger „Das Gesetz in der
Literaturwissenschaft" in seinem Wesen und seinen Möglichkeiten zu umreißen.
Philosophische Besinnung, so führt er aus, stehe mit Persönlichkeiten wie Windel-
band, Rickert, Dilthey am Beginn der modernen Literaturwissenschaft; denn von
ihnen her schreiben sich gerade die grundlegenden, bahnbrechenden, wegweisenden
Gedankengänge. Auch in der Literaturwissenschaft ist induktives Vorgehen ohne
gewisse deduktive Vorarbeit unmöglich. Will Literaturwissenschaft mehr bieten als
Stoffsammlung, so muß sie eingangs erkenntnistheoretische Klarstellungen vor-
nehmen. Solche Vorüberlegung ist zunächst einmal die Unterscheidung von Natur-
und Geistes- oder Kulturwissenschaften, die aber nicht dazu verleiten darf, letzteren
die Möglichkeit von „Gesetzen" abzuerkennen. Und wenn auch bestimmte Ver-
suche, in der Literaturwissenschaft zu „Gesetzen" zu gelangen, etwa Scherers Be-
hauptung einer regelmäßigen Wellenbewegung in der deutschen Dichtung mit
Höhepunkten um 600 — 1200 — 1800 und Tiefepunkten um 900 und 1500, als
verfehlt gelten müssen, so ist nichtsdestoweniger auch für sie der Gesetzesbegrirf
möglich, ja notwendig. Mit dem der Naturwissenschaften freilich wird er kaum
Wesentliches gemein haben. E. führt dann in übersichtlicher Gliederung durch,
welche Gesetzlichkeiten der Literaturwissenschaft angemessen sind. Zunächst sei
festzustellen, „welche Gesetze sich allgemein und grundsätzlich aus dem Wesen
des logisch geklärten Gegenstandes der Literaturwissenschaft ergeben". Als solche
allgemeinen Gesetze macht E. vier geltend: 1. das Gesetz der Individualität
als teleologischer Sinneinheit, 2. das Verhältnis von Typus und Einzelwesen,
3. das Gesetz der Polarität und 4. das Gesetz der Stetigkeit. „Sodann sind diese
allgemeinen Gesetze in ihrer Anwendung auf die drei Hauptprobleme der
Literaturwissenschaft aufzuzeigen: das sozialgeschichtliche (Volk, Zeit, Gesell-
schaft, Generation, Entwicklung usw.); das Problem der dichterischen Persönlich-
keit in ihrer psychologisch-weltanschaulichen Bedeutung und ihrer Entwicklung;
endlich das Problem der Analyse des dichterischen Kunstwerkes." Indem E. in
 
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