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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0371
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BESPRECHUNGEN.

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das Sichtbare hinaus einen dahinter stehenden Sinn zu finden, besonders entsprechen.

Ein zweites Kapitel heißt „Stoffgruppen" und untersucht vollständig und sorg-
fältig die mehreren Tausend Bilder auf ihre Herkunft hin, ein Verfahren, das bei
einer Untersuchung aus dem Gebiet dieses so stark objektivistisch vorgehenden
Jahrhunderts einen ganz anderen Sinn hat als etwa bei einem Gebiet aus dem
19. Jahrhundert, weil im Barock das metaphorische Material viel mehr ein Eigen-
leben führt und überliefertes Gut des ganzen Jahrhunderts ist. Es ergeben sich
als bevorzugte Stoffgebiete der Bildersprache: Licht, Sonne und Gestirne, Nacht,
Flamme, Eis, Gewitter, Sturm, Meer, Tages- und Jahreszeiten usw., dann Blüte
und Pflanze, Saat und Ernte usw., ferner Liebe, Schlaf, Traum, Tränen, Krank-
heit, Wunden usw., schließlich Haus und Wohnung, Edelsteine, Waffen, Fessel,
Kerker, Schauplatz usw. Die Benutzung dieses metaphorischen Materials bleibt in
der Ebene des rein Sprachlichen — z. B. Farbmetaphern ohne Farbensinn —, ge-
wisse Bilder sind besonders beliebt — „Schauplatz" —, gemieden werden Ver-
gleiche mit alltäglichen Dingen.

Wichtiger ist dann die umgekehrte Fragestellung, die nach den Bedeutungs-
gruppen der Bilder, und auch sie ist nur aus der besonderen Struktur barocker
Dichtung heraus möglich und fruchtbar, denn „das barocke Bild läßt die Sub-
jektivität grundsätzlich aus und zielt auf die Sache, indem es eine dinglich-sensuelle
Wirklichkeit einer bestimmten Bedeutungsrealität allegorisch-illustrierend zuordnet.
Daher entspricht die Frage nach der Art, in der gewisse im Mittelpunkt des
dichterischen Interesses stehende Bedeutungsgruppen metaphorisch illustriert wer-
den, dem Wesensgesetz der barocken Dichtung". F. analysiert nun, wie Welt und
Leben oder Zeit und Vergänglichkeit metaphorisch dargestellt werden, und hier
muß nun die Stilgeschichte mit der Ideengeschichte sich vereinen. So beleuchten
einige kurze Sätze die Grundidee von G.s Tragödie „Leo Armenius", deren Sinn
nicht in irgendwelchen Konflikten oder einer spezifischen Tragik des Helden, son-
dern in seiner absoluten Schicksalsverfallenheit gesehen wird. Sehr aufschlußreich
und ausführlich geht F. auf G.s zentrales Erlebnis, das der Vergänglichkeit, ein
und sagt u. a.: „Das Zeitalter beginnt unaufhaltsam, dem Gefüge der mittelalter-
lichen Metaphysik, der fraglosen Gehaltenheit durch einen objektiven, überirdisch-
irdischen Seinszusammenhang zu entwachsen. Noch ist es vom Kreuzgewölbe des
Jahrhunderte alten kirchlichen Baues geeint und überdacht. Tatsächlich aber ist
schon unendlich viel, was früher fraglose Form war, zur Formel geworden . . .
Tatsächlich bricht allenthalben durch das brüchig werdende Gehaus eine neue, un-
bewältigte Unendlichkeit ein, der sich der einzelne preisgegeben sieht, die Un-
endlichkeit der äußeren Welt und die der inneren Welt, die des Menschen. Zu den
wenigen, die im 17. Jahrhundert die ganze Last und Werdequal ihrer Epoche auf
sich vereinigten, gehört G. . . . Denn so wenig die Echtheit der leidenschaftlichen
Religiosität G.s angezweifelt werden kann, so wenig ist zu verkennen, daß er meist
noch ohne sich dessen bewußt zu werden, die alten religiösen Formen und Kate-
gorien nur noch uneigentlich verwandte . . . Diese immer ringende, um den Sinn
des Daseins und die Gewißheit des Ewigen verzweifelt kämpfende Religiosität
gehört ihrem Wesen nach schon in die Neuzeit. Daß an Stelle der Sünde die Zeit
zum tiefsten Fluche des Daseins werden konnte, weist auf die Wandlung des all-
gemein menschlichen und also auch des religiösen Bewußtseins hin. Denn nur
wo der Wert des Lebens und des Menschen in einer neuen, grenzenlos gesteigerten
Weise erlebt wurde, konnte das intensive Bewußtsein der Hinfälligkeit und Ver-
gänglichkeit so elementar alle anderen Gefühle beherrschen und verdrängen . . .
Der Glaube verliert die Sicherheit ... Er verliert die gegenständliche Gewißheit
des Ewigen und wird zum Ahnen und Hoffen, das die Seele mühsam und heroisch
 
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