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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0375
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BESPRECHUNGEN.

361

Gestaltungsformen; das Neue besteht darin, daß „Form" so weit gefaßt wird, daß
die Darstellung den Sinngehalt nicht nur teilweise, sondern möglichst im vollen
Umfange trifft.

Eine zweite Eigentümlichkeit des Werkes besteht darin, daß es sich nicht auf
das Mittelalter beschränkt, sondern die christliche Kunst von den frühchristlichen
Anfängen bis zum Ende des Barock als ein Ganzes betrachtet. Man könnte meinen,
daß Schrade hierin vor allem eine Forderung Dehios erfüllt. Aber die Gesamt-
auffassung, zu welcher er gelangt, dürfte sich von der Dehios doch in verschiedenen
Punkten unterscheiden. Schrade schreibt nicht eine Geschichte der deutschen Kunst,
sondern eine Geschichte der christlichen Phantasie. Diese stellt einen Zusammen-
hang dar, innerhalb dessen die groben Begriffe „Mittelalter", „Renaissance", „Barock"
eigentlich nur noch als Kapitelüberschriften in Betracht kommen. Die neue Frage-
stellung gelangt notwendig zu neuen Kategorien und neuen Akzentsetzungen, die
um so lebendiger hervortreten, als „Stil-Analyse" — gewiß mit vollem Bewußt-
sein — fast ganz unterbleibt.

Es ist selbstverständlich, daß ein Unternehmen dieser Art (weitere Bände, vor
allem ein Band „Kunst und Kultus", sollen folgen; eine „Ikonographie der Himmel-
fahrt Christi" veröffentlichte Schrade bereits 1928/29 in den Vorträgen der Biblio-
thek Warburg) eine ungewöhnliche Monumentenkenntnis verlangt; diese besitzt der
Verfasser denn auch wirklich in erstaunlichem Umfang. Er ist imstande: die Ge-
schichte der einzelnen Darstellungsgegenstände (zunächst die Auferstehung Christi)
systematisch durch die Jahrhunderte zu verfolgen und neben dem bekannten auch
eine Fülle von völlig unbekanntem Material auszubreiten. Dabei ergeben sich ganz
neue Beurteilungsmöglichkeiten für die Bildungs- und Bewahrungskräfte von
künstlerischen Überlieferungen und die Leistungen der einzelnen Künstlerpersön-
lichkeiten, auch für die Anteile der einzelnen Nationen an der Entwicklung der
christlichen Phantasie und nicht zuletzt für das Verhältnis von Mittelalter und
Neuzeit.

Da eine auch nur einigermaßen erschöpfende Inhaltsangabe des an Tat-
sachen-Material wie an Gedanken schier überreichen Buches an dieser Stelle un-
möglich ist, so beschränke ich mich auf die Mitteilung einiger Einzelheiten; betone
jedoch ausdrücklich, daß es sich in diesem Fall nur um ein paar Hinweise handeln
kann, deren Hauptzweck ist: möglichst viele Leser zu einem gründlichen Studium
des vielgestaltigen Ganzen anzuregen.

Schrade beginnt mit einleitenden Betrachtungen über „die befremdendste, frei-
lich befremdend oft übersehene Tatsache in der Geschichte der christlichen Kunst"
— der Tatsache nämlich, „daß es diese überhaupt gibt" (S. VIII). „Die Kunst wird
zwar anerkannt, doch nur wie man den Widersacher anerkennt." Furcht vor Ido-
latrie ist immer irgendwie lebendig. Aber — das Christentum ist ja keine reine
Jenseitsreligion. „Es ist vielmehr auf einen Mittler gegründet, der Himmlisches
und Irdisches, Ewiges und Endliches in sich vereint. Insofern nun das Mittlertum
Christi vorbildlich und damit als weltdurchdringende Macht erschien, mußte es
prinzipiell auch zur Anerkenntnis von Werten führen, in denen die Einung des
Endlichen und des Ewigen sinnbildlich zum Ausdruck kommen kann. Zu diesen
Werten gehört aber, obgleich Zeiten erscheinen, die es vergessen machen, die Kunst
nach ihrem höchsten Berufe" (S. X). „Das Schicksal der christlichen Kunst wird
also mit dem Schicksal des christlichen Glaubens in seiner von Beginn an doppelten
Eigenschaft als Schöpfer und als Widersacher des Mythischen derart verflochten
sein, daß man das eine nicht ohne das andere wird begreifen können." „Gehen
wir davon aus, daß die wesentlichste Rechtfertigung christlicher Kunst in dem
Mittlertume seinem Prinzipe nach liegt, so werden wir bei dem Versuche einer Ge-
 
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