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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0376
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362

BESPRECHUNGEN.

schichte der christlichen Phantasie im Gestaltungsbereiche der bildenden Künste
notwendig diejenigen Tatsachen der Glaubenswelt zuvörderst ins Auge fassen
müssen, in denen sich die Symbole schaffende Kraft des Mittlertums am deut-
lichsten ausprägt. Das sind aber die kultischen. Denn der Kultus stellt die unauf-
hörlich sich erneuernde Einung des Endlichen und des Ewigen dar" (S. XII).
Damit ist das Programm aufgestellt und klar ausgesprochen, warum das Haupt-
ziel einer Ikonographie der christlichen Kunst in einer zusammenfassenden Dar-
stellung des Verhältnisses von Kunst und Kultus zu suchen ist.

Das Erste Kapitel („Frühchristentum") behandelt in vier Abschnitten:
Wesen und Sinn des christlichen Auferstehungsglaubens, Die Auferstehungs-
berichte, Die Sinnbildlichkeit des Kreuzes und Die ersten Versuche szenischer Dar-
stellung der Auferstehung Christi. „Die bildende Kunst muß in der Geschichte der
christlichen Sinngebung des Todes von vornherein erhöhte, sehr spannungsreiche
Bedeutung haben. Denn ist die Kunst nicht schon als solche Ausdruck der Über-
windung oder doch Bannung des Todes durch Leben? Bildet das Geheimnis ihrer
Form nicht die Verschlungenheit des Lebenden ins Tote und des Toten ins Le-
bende?" Mit solchen Sätzen setzt Schrade (S. 1) verheißungsvoll ein. Er erblickt
in der Ebstorfer Mappa Mundi „ein sehr eindrückliches Zeugnis für die Sinn-
setzung von Leben und Tod in der christlichen Vorstellungswelt" und charakteri-
siert das Heilsereignis der Auferstehung als „das Herzstück christlichen Glaubens".
Aber als Vorgang hat die älteste Christenkunst bis ins hohe Mittelalter hinein die
Auferstehung nicht wiedergegeben. Das wunderbare Geschehen bleibt ein Geheim-
nis; die Osterberichte der vier Evangelien enthalten keine Schilderung. Aber des-
wegen stand das Mysterium doch in der Mitte der beherrschenden Ideen und die
Vorstellung suchte sich ihre eigene, ganz und gar nicht realistische, symbolische
Ausdrucksform. In diesem Zusammenhang untersucht Schrade den sogenannten
Passionssarkophag des Lateranmuseums. „Die älteste Geschichte des Auferstehungs-
glaubens ist eine Geschichte des Kreuzesglaubens" (S. 12); das Kreuz aber ver-
wandelt sich aus einem Sinnbild der Schmach in ein Sinnbild des ewigen Siegs
und aus einem Zeichen des Todes in ein Unterpfand des todüberwindenden Lebens.
„Das geschah freilich oft auf befremdlichen Wegen" (S. 14). Schrade verfolgt diese
Wege von Barnabas (Anfang 2. Jahrh.) über Justinus Martyr, Minucius Felix,
Tertullian, Irenäus bis auf Eusebius, der die große politische Wendung, die mit den
Siegen Konstantins einsetzte, panegyrisch feierte. Hier wird die Geschichte des
Kreuzes zu einer Geschichte des Labarons und seiner Monogramm-Komposition.
Das Kreuz trägt Christi „Namen"; es ist in mehrfacher Weise „redend" gemacht;
man kann das Geheimnis, welches es enthält, lesen und doch ist es zugleich auch
wieder profaner Lesbarkeit durch eine dekorative Gestaltung, die im Dienste ge-
heimer Bedeutung steht, entzogen. Das Schriftbild wird zum Rätselbild (S. 25 f.),
das für sich allein vorkommt, aber auch von anbetend-grüßenden Aposteln oder
Wächtern umgeben. — Ich bemerke zu diesem Abschnitt, daß mir Schrades Aus-
führungen auch für die systematische Ästhetik bedeutsam erscheinen. Die Analyse
der Labaron-Kompositionen macht wohl jedem unvoreingenommenen Leser klar,
wie wenig brauchbar die herkömmlichen Korrelata „Form" und „Inhalt", „Stoff"
und „Bedeutung" zur Erschließung christlicher Kunst sind. Hier müssen neue Kate-
gorien geschaffen werden, die es möglich machen: das rational-irrationale Zu-
sammen auch solcher Kulturleistungen zu begreifen, deren Struktur eine ästhetisch-
theoretisch-religiöse ist. — Im letzten Abschnitt wird vor allem das berühmte
Münchener Elfenbein (Bayr. Nationalmuseum, vielleicht gallischen Ursprungs und
wohl ins 5. Jahrhundert gehörig) und die Miniatur des Rabula-Evangeliars vom
Jahre 586 (Laurenziana, Florenz) betrachtet.
 
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