Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 34.1940

DOI article:
Besprechungen
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.14215#0220
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
206

BESPRECHUNGEN

T o d" einbegriffen, das die Verfasserin im neunten Kapitel behandelt. Originell ist
das 10. Kapitel, worin „Der Humor" betrachtet wird, der ja nicht bloß Ange-
legenheit des Individuums ist, sondern zeittypisches Gepräge hat. Da die Verfasserin
als Humor die Fähigkeit, „gute Miene zum bösen Spiel zu machen", definiert, so
findet sie in klassischen Zeiten keinen Humor, wenn auch Sinn für das Komische.
In der klassischen Komik siegt das schlechthin Gute, und das schlechthin Böse wird
bekehrt oder bestraft. Zum barocken Humor gehört das Erhabene: der äußere Unter-
gang, aber der moralische Sieg des Erhabenen. — Grundsätzliche Fragen rollt zum
Abschluß das letzte Kapitel: „Das Problem der Geschichte" auf. Hier
wird neben die Daten- und Schicksalsgeschichte und neben den Weltanschauungs-
wandel als dritte Form geschichtlicher Fügung die „Morphologie", die „Gestalt-
geschichte" gestellt. Die Verfasserin lehnt die Verwechslung der morphologischen
Geschichtsbetrachtung mit der Weltanschauungsgeschichte ab. Sie weist darauf hin,
daß es mitunter an verschiedenen Stellen Europas zwei verschiedene Baustile, aber
überall die gleiche weltanschauliche Grundlage gibt. Und sie betont die Besonderheit
der drei verschiedenen Formen der Geschichtsbildung, auch ihren Kampf miteinander,
ihre verschiedene Zielsetzung und ihre verschiedenen Höhepunkte.

Dies Referat über das Riemschneider'sche Buch will keine Inhaltsangabe sein;
es steckt nur durch Hervorhebung der Hauptgesichtspunkte den Gedankengang im
Ganzen ab. Der Reiz und ein Hauptwert des Buches liegt gerade im Detail und der
Fülle von Perspektiven, die sich in jedem Kapitel eröffnen. Das Buch ist anregend
im besten Sinne und gibt allenthalben Anstöße zum Weiterdenken. Demgegenüber ist
es sogar nebensächlich, ob die zugrunde gelegte Typologie erschöpfend und endgültig
ist. Sie kann vielleicht durch eine andere ersetzt werden, wodurch manche der an-
geführten Beispiele in anderen Zusammenhang rücken; aber die Fülle und der Reich-
tum des Materials, das Überraschende vieler Apercus, die gesamte Betrachtungs-
weise bleiben auch dann als wertvolle Bereicherung unseres Schrifttums bestehen.

Richard Müller-Freienfels.

Erich Valentin: Richard Wagner. Sinndeutung von Zeit und
Werk. Gustav Bosse Verlag, Regensburg. („Von deutscher Musik" Band 55/57)
286 S.

Keine große musikalische Persönlichkeit scheint uns so nach allen Richtungen
erforscht und erhellt worden zu sein wie die des Bayreuther Meisters. Die Wagner-
Literatur ist nachgerade zu einem Umfang angeschwollen, die für den einzelnen kaum
noch übersehbar ist. Neben den grundlegenden Biographien und Monographien
(Glasenapp, Chamberlain, Max Koch) stehen die zahlreichen Einzeluntersuchungen
über Inhalt, Form und Stil seiner musikalischen Werke, unter denen besonders das
Werk von Adolf Lorenz („Das Geheimnis der Form bei R. W.") hervorragt. Wagners
universale Bedeutung hat nicht nur die Musikwissenschaftler immer von neuem
beschäftigt, sondern auch die Literaturhistoriker, Bühnenkünstler und Ästhetiker
auf den Plan gerufen. Sein musikalisches Werk hat auch im Zeichen einer
vorübergehenden „Wagner-Feindschaft" nichts von seiner überwältigenden Größe
eingebüßt, es beherrscht weiterhin den deutschen Opern-Spielplan und ist dort heute
fester denn je verankert; dagegen ist sein schriftstellerisches Schaffen —
auch dem gebildeten Teil des Publikums — keineswegs so bekannt, wie es für das
Verständnis seiner Gesamtpersönlichkeit notwendig wäre. Auf diese Tatsache weist
Erich Valentin im Vorwort seiner klugen und feinsinnigen Arbeit hin, die es sich zum
Ziel setzt, „den noch keineswegs vollständig erschlossenen Sinn des Wagnerschen
Schaffens zu erforschen".
 
Annotationen