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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

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Beissel, Stephan: Das Evangelienbuch des Erzbischöflichen Priesterseminars zu Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0013

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1898.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

Eigenartig sind die drei Kreise um die Figur
des Herrn. Der erste, das Sinnbild der Erde,
dient ihm als Fufsschemel, der zweite, das Bild
des untern Himmels, als Thron, der dritte, der
obere Himmel, worin die meisten Sterne ein-
getragen sind, umgibt sein Haupt. Die Grund-
idee zu unserer Zeichnung bot jedenfalls Isaias 66,
1 Coelum sedes mea, terra autem scabellum
pedum meorum. Sap. 1,7 Replevit orbem
terrarum. Die beiden Himmelskreise erinnern
an Ps. 113, 16 Coelum coeli Domino, terram
autem dedit filiis hominum und an ähnliche
Stellen. Im geöffneten Buche steht: Ego sum
a et o, primus. Apoc. 22, 13. Haare und Augen
des Herrn sind schwarz. Sein braunrothes,
ernstes Antlitz ist mit Weifs gehöht, sein gol-
dener Nimbus mit weifsen Perlen umrandet
und mit einem silbernen Kreuze versehen, das
in jedem Arm vier Edelsteine und ein grünes
Blatt trägt. Die um ihn gestellten Evangelisten
und Propheten wollen sagen, er sei durch die
Vertreter des Alten wie des Neuen Testamentes
als Messias und Gottessohn erwiesen.

Dafs Evangelienbücher aufser den Bildern der
Evangelisten auch das an den Anfang gestellte Bild
des Herrn haben, ist nicht selten. Die drei Kreise
hier sind jedoch aufsergewöhnlich. Im Evangelienbuch
n. 147 des Kölner Archivs aus der 2. Hälfte des
IX. Jahrh. sitzt Christus auf einem gelben Kreis, während
ein grösserer, den Himmel sinnbildender Kreis, der
mit. grau gefüllt und roth umrandet ist, Haupt und
Brust umfafst. In einem zweiten Evangelienbuche
desselben Archivs n. 812, XI. Jahrh., sitzt Christus
ebenfalls auf einem kleinern Kreis, während ein grösserer
die obere Hälfte seiner Gestalt umrahmt, doch treten
hier rings um jene Kreise zehn Figuren hinzu. In den
obern Ecken schweben zwei Engel, unten sind vier
Propheten gemalt, in der Mitte rechts und links je
zwei Evangelisten.

Die zwölf Kanontafeln auf Blatt 2—7 unserer
Handschrift sind licht und hell, aber trotz alles
Farbenreichthums einfach; denn auf ihren Giebel-
dächern findet man zur Rechten und Linken
nur kleine Ranken, aber keine Thiere oder
Menschen. Ihre marmorirten Säulen beginnen
mit attischen Basen, enden in Blattkapitälen
und tragen Rundbogen, welche stets nach innen
mit silbernen, nach aufsen mit weifsen Punkten
besetzt sind.

Weil vor dem Text der Evangelien zwei
vom hl. Hieronymus verfafste Stücke2) stehen,

2) Diese beiden Stücke beginnen Novum opus
und Plures; die mit Sciendum und Ammonius
anhebenden fehlen. Vergl. »Die Trierer Ada-Hand-
schrift« (Leipzig, Dühr, 1889), S. 40 f.

hat man eine grofse Miniatur (Abb. 2) eingefügt,
worin dieser Kirchenlehrer, als Priester gekleidet,
einem in Mönchgewand vor ihm sitzenden
Schreiber (Notarius ejus) diese Sachen diktirt.8)
In der oben viereckig schliefsenden Thüre hinter
dem Heiligen liefst man:

Hie pat(et) insignis meritis hieronimus almis,
Scriptor et interpres divine legis habetur.

Auffallend sind die beiden langen, grün ge-
färbten Thüren zur Rechten und Linken. Aehn-
liche Thüren kehren in gröfserm oder kleinerm
Maafsstabe auf allen folgenden Miniaturen dieser
Handschrift wieder. Analoge Thüröffnungen
finden wir im Sakramentar des hl. Bernward von
Hildesheim,4) im Pontificale des Bischofs Dun-
stan u. s. w.6)

Der Miniatur mit dem Bilde des hl. Hiero-
nymus folgt ein Ziertitel, der in zweifacher
Weise fehlerhaft ist. Einmal erscheint sein in
Gold auf Purpur geschriebener Text: Beatissimo
Papae Damaso Hieronimus auf der folgenden
Seite von neuem, dann aber hat der Maler statt
des B die mit irischem Flechtwerk gefüllte, .
nach oben hin geschwänzte Initiale O einge-
setzt. Auch sonst fehlt es nicht an Versehen.
Ueber der folgenden Seite, welche mit „Beatis-
simo" beginnt, steht z. B. irrthümlich: Mat(heus).
Am Ende der Einleitung „Plures" aber hat sich
der Vers eingeschlichen, welcher in andern
Handschriften das Bild des Evangelisten Mat-
thaeus begleitet:

Matheus hie hominem generaliter implet.

Das Inhaltsverzeichnifs zu Matthaeus
hat 30 Kapitel, zu Marcus 13, zu Lucas 21
zu Johannes nur 8(9).6) Zahl und Anordnung

3) Diese Miniatur erinnert an jene des Registrum
Gregorii zu Trier. Abb. bei Palustre et Barbier
de Montault »Le tresor de Treves« (Paris, Picard),
pl. XXX.; Braun „Beiträge zur Geschichte der Trierer
Buchmalerei", »Westdeutsche Zeitschrift«, Ergänzungs-
heft IX, S. 26, 34 ff., 77 f. Tafel V. Die Miniatur
jenes Registrum ist lebendiger, aber weniger edel als
die unserer Abb. 2, stammt jedoch aus derselben Schule.

4) Beissei »Des hl. Bernward Evangelienbuch im
Dome zu Hildesheim« (Hildesheim, Lax, 1891), Tafel V
und VII, vergl. S. 4.

5) Ms. des Britt. Museum, Cotton, Claudius A. 8.
XI. Jahrh. Abb. in Westwood »Fac-Simile of the
miniatures of anglosaxon and irish Manuscripts« (Lon-
don, Quaritsch, i868), pl. 50. Der hl. Dunstan thront
unter einem Portal; rechts und links eine Apsis mit
hoher, runder, geschlossener Thüre.

6) Im Inhaltsverzeichnifs zu Johannes ist mancherlei
auffallend, zuerst fehlen die Nummern, dann lautet der
letzte Abschnitt: Jhesus diseipulos patri commendat.
 
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