Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

DOI Artikel:
Schmid, W. M.: Modellstudium in der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts
DOI Artikel:
Bücherschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0043

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
57

1898.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 2.

58

tion (23 : 24 cm; vergl. Abbildung) dieses
Textes zeigt nun, wie unter Aufsicht des jungen
Königs Minus ein Steinmetz auf einer (roth-
braunen) Marmortafel in Relief das Bild des
Verstorbenen hergestellt; neben dem Stein liegt
der Verstorbene selbst oder ein ihm ähnliches
lebendes Modell.

Wir wissen aus der Kunstgeschichte, dafs
schon das ganze XIV. Jahrh. hindurch das
Streben nach Porträlwahrheit die Plastik, be-
sonders die Grabsteinplastik, beherrscht hat
und dafs der Naturalismus gegen Ende des

XV. Jahrh. seinen Höhepunkt erreicht hat. Da
aber der Text der hier in Rede stehenden
Handschrift einen weiteren Anhaltspunkt nicht
gibt, so hat sich der Buchmaler bei der Illu-
stration zweifellos an die ihm wohl bekannte
gleichzeitige Art und Weise der Herstellung
eines Grabsteines gehalten. Die Abbildung
liefert also einen Beleg für das, was uns die
Werke selbst schon gelehrt haben, und zeigt
in der ersten Hälfte des XV. Jahrh. ein wirk-
liches Modellstudinm.

München. W. M. Sehm id.

Bücherschau.

Kunst schätze der Kirchen von Disentis
und Umgebung (Graubünden), 16 Albumblätter,
Photogr. Aufnahmen mit orthochromatischen Platten
und Gelbscheibe von P. Karl Hager, Disentis
(In Franken, im Selbstverlag des Herausgebers).
Hoch oben in romantischer Alpenwelt, beim Zu-
saniinenflufs des Vorder- und Miltelrheins, an der
Strafse, welche vom Norden über den Lukmanier nach
Süden führt, liegt die Benediktiner-Abtei Disentis.
Obwohl das Kloster im Jahre (S12 gegründet wurde,
besitzt der heutige Stiftsbau (Blatt 1) nach vielen
widrigen Geschicken ein ganz modernes Aussehen.
Aus frühem Jahrhunderten wurde fast nichts gerettet
als der zierliche St. Barbara-Altar (Bl. 15) aus der
Zeit der Frührenaissance. Dagegen besitzen einige
Kapellen in der Umgebung ältere interessante Kunst-
schätze, so vor allen die St. Agatha-Kapelle (Bl. 2—12).
Der ursprüngliche Bau reicht wohl in die romanische
Stilperiode zurück. In der geradlinigen Chormauer
find drei Apsiden ausgetieft mit vorzüglich erhaltenen
Malereien (der thronende Christus, Maria Krönung,
St. Agatha etc.l aus gothischer gioltesker Zeit. Zwei
andere Darstellungen (die Anbetung der Könige und
Maria die Helferin der Christen) schmücken die süd-
lich anstofsende Seitenwand. Diese Kapelle, sowie
eine zweite, welche dem hl. Valentin geweiht ist, be-
sitzen ferner gothische Altaraufsätze mit schönen
Schnitzereien und Malereien (Bl. 13 und 14). Eine
dritte Kapelle birgt ein kostbares in Oel gemaltes
Altarbild, die Immaculata, wahrscheinlich ein Werk
des Spaniers Ribera. — Ein junger fleifsiger Bene-
diktiner von Disentis machte gute photographische
Aufnahmen, vervielfältigte sie und schlofs sie in einem
sehr schönen Album zusammen. Dasselbe wird den
Freunden älterer und neuerer Kunst angelegentlich
empfohlen. P. a. Kuhn.

Oberitalisc he Plastik im frühen und hohen Mittel-
alter von Max Gg. Zimmermann. 208 S. in 4°.
Leipzig 1897, Liebeskind. iTreis 30 Mk.)
Das Werk ist schon durch seine 66 Abbildungen
hochbedeutend, sind sie doch nach Originalphoto-
graphien oft in der Gröfse einer ganzen Seile ge-

geben und meist Reproduktionen wichtiger, bisher
unpublizirter Skulpturen. Der Text schildert zuerst
die longobardischen Skulpturen Oberitaliens und
zeigt dann, dafs in derselben Gegend innerhalb der
romanischen Epoche eine reiche Kunstthätigkeit
blühte, während Toskana, die Heimath der Pisano,
„noch in den ersten barbarischen Anfängen steckte".
Drei grosse Künstler treten besonders hervor: Wil-
helm, der Meister der Skulpturen des 1099 gegrün-
deten Domes zu Modena, Nikolaus, der nach 1135
zu Ferrara, dann zu Verona für den Dom und S. Zeno
arbeitete, Benedetto Antelami, dem wir zu Parma
die Area unter dem Hochaltar mit der Kanzel in der
Kathedrale, sowie das grofsartige Baptisterium mit all
seinen Skulpturen, zu Borgo S. Donnino aber die Aus-
stattung der Fassade verdanken. Benedetto begann
seine künstlerische Laufbahn vor 1178, nachdem er
sich, wie es scheint, durch eine Reise nach Chartres,
Arles und andere Städte der Provence vorgebildet
hatte. Er schlofs sie wohl nach 1216. Dem Aus-
gange der romanischen Epoche, also dem Ende
des XII. und dem Beginn des XIII. Jahrh., weist
Zimmermann Werke zu, die bis dahin weit früher
datirt wurden, besonders das Portal von S. Silvestro
zu Nonantola, das Tympanon am Hauptportale des
Domes zu Monza, in S. Ambrogio zu Mailand das
Ciborium über dem Hochaltare und die berühmte Be-
kleidung dieses Altares. Der Muth und die Gründe,
mit denen Verfasser die frühere Datirung zurückweist,
verdienen Dank und Anerkennung. Nach 1199 ist
eine Erneuerung jener Bekleidung nun wohl anzu-
nehmen, aber es werden doch noch viele ältere Theile
da sein, besonders ältere Emails, Platten und Edel-
steinfassungen. Bei Behandlung der Thüren und der
Fassade von S. Zeno in Verona ist die 1892 in dieser
Zeitschrift Nr. 11 ff. erschienene Abhandlung Ubeisehen,
worin die vom Verfasser gebotenen Ergebnisse bereits
ausgesprochen und begründet waren. Venedig hat er
nicht in den Kreis seiner vortrefflichen Arbeit hinein-
gezogen. Seine Ausführungen sind klar und über-
zeugend, reich an wichtigen neuen Nachweisungen zur
Ergänzung der Geschichte der Plastik, Goldschmiede-
kunst und der Ikonographie, belehrend und grund-
legend für weitere Forschung. Beissel.
 
Annotationen