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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

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Schnütgen, Alexander: Neuentdecktes Sassanidengewebe in St. Kunibert zu Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0145

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Abhandlungen.

Neuentdecktes Sassanidengewebe in
St. Kunibert zu Köln.

Mit Lichtdruck (Tafel V.)

rend
iü>—

Stunden,

bei der Eröffnung des St.
Kuniberts-Schreines in der
gleichnamigen Kirche zu
Köln am 22. Sept. d. J. ein
kostbares altes Seiden-
gewebe zum Vorschein
kam, liefs ich es wäh-
der wenigen
die es

ausserhalb des Schreines verblieb, photographiren.
An die Veröffentlichung dieser Aufnahme, deren
Schärfe vornehmlich der farbenempfindlichen
Platte zu danken ist, knüpfe ich eine kurze Be-
schreibung derselben.

Dieser kreisförmig gemusterte, wohlerhaltene
Stoff (pallium scutellatum) zählt zu den aller-
gröfsten und reichsten Exemplaren, welche das
Alterthum uns zurückgelassen hat. Die ovalen
Kreise haben einen Durchmesser von 82 cm
in der Breite, 90 cm in der Höhe, so dafs sie
selbst das grofse Fragment des Berliner Kunst-
gewerbemuseums mit den geflügelten Rossen
noch um einige, das berühmte Pallium auf der
Innenfläche der hinteren Hochaltarthüre in St.
Ambrogio zu Mailand um mehrere Centimeter
übertreffen, obwohl das letztere, die Farben aus-
genommen, mit ihm bis auf wenige unbedeu-
tende Abweichungen identisch ist. Die Jagd-
szene, welche das Medaillon ausfüllt, wird von
dem grofsen Lebensbaum beherrscht in Gestalt
einer die ganze Darstellung überschattenden
Palme, welche gleich oberhalb des Centrums aus
einer stilisirten Wurzelung herauswächst und die
Scheidung in die beiden symmetrischen Hälften
bewirkt, wie sie den meisten alten figurirten
Stoffen eigen ist. Die Palme wird oben, ent-
sprechend den sechs abzweigenden Blättern, von
zwei aufflatternden Adlern, zwei pickenden
Hühnern und zwei sitzenden Vögeln belebt, und
unter denselben bildet der nach beiden Seiten
ganz gleichmäfsig ausladende Ast mit seinen
Blättern, Blüthen nnd Früchten eine Art von
Bedachung, zunächst über den beiden Reitern,

die vom springenden Pferde soeben den Pfeil
abgeschossen haben auf die zu ihren Füfsen sich
tummelnden Löwen. Der Reiter trägt die sky-
thische Mütze, von der hinten die fanones herauf-
flattern, und der enganliegende, vorn durch
einen Galon verzierte Rock (Jacke) leitet durch
einen Gürtel zu den knappen Beinkleidern über
mit den verschnürten Halbstiefeln. Die Chlamis
besteht in einer Art von auffliegendem Schweif
miteigenthümlichem, an eine Quaste erinnerndem
Anhängsel, wie es mir mal auf einem alten
Stoffe als Ausläufer eines riesigen Schwanzes
begegnet ist. Die Satteldecke hat verzierte Borte,
und nach vorn wie hinten bilden das Zaumzeug
und das Gebände mit seinen herabhängenden
Ringen reiche Zierrath. Die Mähne ist dicht
geflochten, der Schweif wild aufschäumend, das
vorzüglich gezeichneteRofs im strengsten Galopp,
dem die angespannte Haltung des sich wenden-
den, daher en face erscheinenden Reiters in
ungezwungener Bewegung entspricht. Neben dem
gespannten Bogen springt je ein Hase an der
Wurzel der Palme empor, diese Stelle des
Grundes drastisch belebend und durch die Gegen-
sätzlichkeit in die ganze Spiegelbilddisposition
eintretend. Vor dem springenden Pferde füllt
den Grund ein in der lebhaften Verfolgung
eines Hirschen begriffener Hund und darunter
erscheint als Lückenbüfser ein herabgefallener
Palmzweig, sowie ein Adler, der sich schaukelt
auf dem Huf des vom Löwen überwältigten
eigenartigen Thieres mit Flammenbüschel auf
dem Kopf und mit Haarwulst unter dem Bauche.
Man würde dasselbe vielleicht für das chine-
sische Khilin ansprechen dürfen, wenn China
nicht erst im späteren Mittelalter auf den persisch
(-mongolischen) Formenkreis Einfiufs gewonnen
hätte. Auf ein wildes Pferd scheinen Schweif,
Hufen, Körper gedeutet werden zu müssen.
Es bäumt sich unter der Wucht der in wilder
Hast in seinen Rücken sich verbeifsenden Bestie,
der selbst der Pfeil im Genick sitzt. Ein kreuz-
artiges Ornament bezeichnet hier wiederum die
Mitte, wie unten ein palmettenartiges Bäumchen,
von dem abgewendet zwei Hunde aufbellen.
In wunderbarer Vertheilung, in der vor allem
die vertikale Scheidung vorherrscht, ergänzen
sich alle diese Einzelheiten zu einer überaus
lebendigen Gruppe, die von einem 9 cm breiten,
aus herzförmigen aneinandergereihten Blättern
 
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