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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

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Prill, Joseph: In welchem Stile sollen wir unsre Kirchen bauen?, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0156

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247

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

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lung der Baukunst ihren Ausgang nehmen
müsse.

Aus solchen Anschauungen heraus ist auf
die oben gestellte Frage kurz zu antworten:
Gothisch.

Diesen Standpunkt greift neuerdings Prof.
Keppler in einer Reihe sehr lesenswerther
Artikel („Der romanische Kirchenbau") im
Archiv für christl. Kunst, Jahrg. 1897 an und
tritt mit Wärme dafür ein, dafs neben dem
gothischen Stile auch dem romanischen noch
eine Berechtigung für die Gegenwart zuge-
standen, und auch er noch neben dem voll-
kommneren gothischen geübt werde. „Somit
plaidiren wir", so fasst er seinen Gedankengang
zusammen, „für Freigebung des romanischen
Kirchenbaues und Aufhebung des Monopols
für den gothischen, das weder aus stilistischen,
noch aus ästhetischen, noch aus praktischen
Gründen zu rechtfertigen ist".

Ich zweifle nicht, dafs die Abhandlung des
»Archiv« die Aufmerksamkeit der Freunde christ-
licher Kunst wieder in erhöhtem Mafse auf
unsre Frage hingelenkt, und dafs die Erörte-
rungen selbst ernste Erwägung gefunden haben.

Es wird sich nun lohnen, an der Hand der
Abhandlung des „Archiv" unsere frühere Be-
weisführung einer Nachprüfung zu unterziehen.
Die wesentlichsten Punkte waren folgende:

Zu Gunsten des gothischen Stiles wurde
zunächst dessen gröfsere technische Vollkom-
menheit hervorgehoben. Die gothische Struktur
erfordert weit weniger Masse als die romanische,
kann also denselben Zweck mit gerin-
geren Mitteln erreichen und erreicht mit
denselben Mitteln gröfseres. Die Ersparnifs
an Masse ermöglicht die Verwendung eines
architektonischen Schmuckes, der unter gleichen
Verhältnissen dem romanischen Bau versagt
bleibt. — Sodann liegt aber in der vollkomm-
neren Gliederung des gothischen Baues, in der
klareren Durchdringung der Massen durch den
architektonischen Gedanken an und für sich
schon ein Mittel gröfserer baulicher Schön-
heit und höherer ästhetischer Wirkung.

Es wurde ferner geltend gemacht, dafs die
Gothik unsern modernen Ansprüchen mehr
entspreche und an und für sich praktischer sei,
da sie viel freier über die Raumvertheilung be-
stimme, dünnere Stützen zulasse, weitere Durch-
blicke, übersichtlichere und lichtere Räume
herstelle. ■— Hierbei ist allerdings immer an

wirklich gothische und romanische Bauten
im mittelalterlichen Geiste gedacht, nicht an
so manche Zwittergestalten, welche mit völlig
gothischer Struktur in widernatürlicher Weise
romanische Formen vereinigen.

Der romanische Stil ist überdies in sich
selbst nicht vollkommen zum Abschlufs ge-
kommen, er ist vielmehr als eine Durchgangs-
stufe von der Antike zur Gothik zu betrachten.
Das Suchen der romanischen Meister nach
Vollendung führte zur Gothik hin, und in dieser
letztern ist erst völlig erreicht, was die ersteren
erstrebten. Der germanische christliche Geist,
welcher im romanischen Stil sich mit den
Vorzügen der Antike verband, brachte erst im
gothischen sein Wesen zum vollen Ausdruck.
So steht uns auch geschichtlich der gothische
Stil näher. Es ist das letzte Glied einer stetigen,
naturgemäfsen Fortentwickelung, welche durch
die gewaltsame Wiedereinführung antiker For-
men, durch die „Renaissance" nicht weiter ge-
fördert, sondern abgerissen wurde. Da müssen
wir anknüpfen, wo der Faden abgerissen ist,
nicht irgendwo anders. Namentlich ist es nicht
richtig, beim romanischen Stil wieder anzu-
knüpfen, weil er ja schon in die Gothik hin-
eingeführt hat, und auch jetzt die Möglichkeit
eines andern Entwicklungsganges nicht ersicht-
lich ist. Wozu noch einmal den Prozefs durch-
laufen, der bereits abgewickelt ist?

Der Einwurf, die gothische Bauweise sei
mehr schematisch als die romanische, erledigt
sich von selbst durch die Thatsache, dafs es
ja eben der Triumph der Gothik ist, sich von
dem starren romanischen Schema losgemacht
zu haben, was den romanischen Meistern inner-
halb ihres Stiles selbst nicht gelingen wollte
und konnte.

Es unterliegt daher keinem Zweifel, dafs
der gothische Stil unter dem praktischen, wie
auch dem künstlerischen Gesichtspunkte voll-
endeter ist als der romanische.

Das wird denn auch keineswegs mehr ge-
leugnet. Auch unser verehrter Gegner greift
nicht dies an, sondern nur die Folgerungen,
welche wir, die „exklusiven Gothiker", daraus
gezogen haben; er bekämpft nicht die Gothik,
sondern nur die Forderung auf Allein-
berechtigung der Gothik. „Wir werden den
Kampf gegen diese", sagt er in der erwähnten
Abhandlung (S. 66), „durchaus nicht etwa mit
einer Anzweiflung der Superiorität des gothi-
 
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