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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

DOI Artikel:
Schroers, Heinrich: Studien zu Giovanni da Fiesole, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0206

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327

1898.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

828

Dieselbe Szene, Dominikus unter dem Kreuze,
ist auf der Eingangswand des obern Kloster-
ganges nochmals geschildert. Das Gemälde ist
in der Formgebung weniger vollendet, zeigt
aber eine entschiedene Steigerung des Ge-
dankens und der Empfindung. Der Leib des
Heilandes hat stärkere Spuren des Leidens, die
Konturen sind herber, das Knochengerüst tritt
schärfer hervor, der Kopf ist mehr erhoben,
der Mund noch halb geöffnet, das Lendentuch
energischer bewegt.
Schlanker, mehr in die
Höhe gezogen ist die
Figur des knieenden
Heiligen; tiefer erregt
das Gesicht; feuriger
emporgerichtet sein
Blick; die Arme sind
entschlossener ausge-
streckt, die Hände er-
fassen das Kreuz fester
und kraftvoller. Hier,
in den innersten Räu-
men des Klosters, nahe
den Zellen der medi-
tirenden Mönche, tritt
die Idee mächtiger und
schwungvoller in die
Erscheinung. Vorallem
fällt im Vergleiche zu
der anderen Kreuzi-
gung auf, dafs das Blut
reichlicher aus den
Wunden fliefst und be-
sonders in starken
Strahlen sich aus dem
Herzen ergiefst, hinab
auf den in" ekstati-
schem Verlangen em-
porstrebenden Dominikus.

Neben dieses Bild hat der Beato keinen Schwei-
gen gebietenden Heiligen gemalt. Die Jungfrau
von Siena darf uns die Deutung sagen. „Tauchet
unter in das Blut des gekreuzigten Christus,
stellet euch an das Kreuz mit dem gekreuzigten

nicht erschöpft. Dafür ist der Gesichtsausdruck zu
mächtig und feierlich. Marchese (»Memorie« c. Vi
pag. 285) und Viktor Schultze (»Das Kloster
S. Marco in Florenz". Leipzig 1888, S. 3 t f.) finden
ihn sogar „drohend". Wenn letzterer ihn „Gehorsam"
fordern läfst und dabei gar an die Inquisition denkt,
so geht das allerdings mehr als über das Ziel hinaus.

Christus, verberget euch in die Wunden des ge-
kreuzigten Christus, bereitet euch ein Bad in dem
Blute des gekreuzigten Christus."20) „Versenket
euch in das Blut des gekreuzigten Christus, und
badet euch in dem Blute, und berauschet euch
an dem Blute, und sättigt euch mit dem Blute,
und umhüllet euch mit dem Blute."21) So
kehrt es immer in den Briefen mit dem Feuer
visionärer Begeisterung wieder.22) Wer diesem
Rufe folgt, so versichert sie, wird ihren Namen
tragen, und den wird
sie als Sohn anerken-
nen.23) Das Kloster
S. Marco war geboren
aus der Reform, die
von ihr ausgegangen,
es sollte auch gesalbt
werden mit dem
Geiste ihrer Mystik.
Angelicos Malereien
waren der Weihe-
spruch, mit dem der
Konvent sich als Sohn
der grofsen Heiligen
bekannte.

Die beiden Darstel-
lungen, die im untern
und im obern Gange,
geben das Thema an,
das in den Kreuzi-
gungen der Zellen va-
riirt wird. Bald springt
der Blutstrom aus des
Erlösers Seite, bald
öffnet der Lanzenstofs
erst den Quell seines
Herzens, bald läfst er
in milder Majestät das
Blut aus Händen und
Füfsen rinnen. Hier umschlingt Dominikus das
Kreuz, dort streckt er die Arme aus, es zu um-

20) Lett. XVI (I, 64).

21) Lett. CII (II, 197), an den General Raimund
von Capua gerichtet.

•*) z. B. lett. LVI (I, 250) an den Dominikaner
Simone da Cortona: ,,Con desiderio di vedervi bagnato
e annegato nel sangue dell' Agnello; acciocche come
ebro, corriate al campo della battaglia a combattere
come cavaliere virile."

23) Ebenda pag. 254 : „E perö vi dissi ch' io desi-
deravo di vedervi bagnato e annegato nel sangue di
Cristo crocifisso: e dicovi che allora voi averete nome
e io ritroverö il figliuolo." — B eis sei (S. 29) will
 
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