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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

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Schroers, Heinrich: Studien zu Giovanni da Fiesole, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0207

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329

1898.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

330

fassen, oder kniet mit gefaltenen oder übereinan-
der gelegten Händen vor dem Throne des Kreuzes.
Zu diesen Kreuzigungsbildern gehört auch die
eigenthümliche Darstellung in der Zelle 36.
Jesus, von derselben Schöne des edelgebildeten
Leibes umflossen und mit derselben Neigung
des Kopfes, wie im Kreuzgange, steht auf einer
Leiter an dem bereits hoch auf dem Felsen
aufgerichteten Kreuze und hat seine rechte Hand
angenagelt, aus der die ersten Blutstropfen her-
vorspritzen. Die mystische Grundidee ist bei-
behalten, aber in allen Einzelheiten der Schilde-
rung liefs sich der Künstler von einer Magda-
lenenlegende des XIV. Jahrh. leiten, der er fast
Zug um Zug gefolgt ist.24)

Das aus dem Herzen der ans Kreuz ge-
schlagenen Liebe quillende Blut ist in der
Mystik der hl. Katharina der Sammelpunkt
aller Gedanken, das schlagende Herz. In einem
Gesichte fragte sie den Bräutigam: „Warum
hast du gewollt, dafs die Brust dir geöffnet
würde und ergösse eine solche Menge des
Blutes?" Er antwortete ihr: „Der eine Grund
war, weil ich offenbaren wollte und durch die
Oeffnung der Seite euch offenbart habe das
Geheimnifs des Herzens .... Der andere war
die Taufe, die durch die Verdienste meines
Blutes dem menschlichen Geschlechte gegeben
ward."25) Er hat „sich selbst die Adern ge-
öffnet und uns Bad und Taufe seines Blutes

die „authentische Erklärung" dieses und der übrigen
Kreuzigungsbilder in den unter dem Gemälde stehenden
Versen finden: „Salve mundi salutare, Salve, salve
Jesu chare, Cruci tuae nie aptare Vettern vere, tu
scis quare, Praesla mihi copiam." Wie die Schrift,
eine verschnörkelte Fraktur, zeigt, . ist diese Inschrift
sehr viel später hinzugefügt worden, als die wahre
Bedeutung des Bildes nicht mehr gekannt oder be-
achtet wurde. Wie matt würde auch ein solcher
Kommentar für die Sprache des Bildes sein I

24) Marchese »San Marco illustrato« pag. 40 hat
darauf zuerst hingewiesen und den Text veröffentlicht.
Mir ist das Buch nicht zugänglich; ich entnehme den
Wortlaut der Legende aus Supino pag. 120 suiv.
Beissei S. 39 knüpft die eigenthümliche Darstellung
an des hl. Bonaventura Betrachtungen über das Leben
Christian, auf die sie allerdings im letzten Grunde
zurückgehen, die aber nicht die Quelle A.'s gewesen
sein können. Denn die begleitenden Personen sind
dort (c. 78) andere als hier; Beissels Beschreibung
des Bildes ist unrichtig.

•*) Lett. CLXXXIX (III, 85). Der Gedanke findet
sich beim hl. Thomas, der ihn aber auf das Leiden
Christi im allgemeinen bezieht. S. »Summa theol.«
III qu. 66 a. 11 et 12; qu. 79 a. 5 ad 1 („Baptismus
datur homini quasi commorienti Christo").

bereitet". „Mit seinem eigenen Blute hat er
das Antlitz der Seele abgewaschen" und „dem
durch die Schuld Adams ganz erbleichten Ant-
litze die Röthe des Lebens wiedergegeben".26)
Jetzt begreifen wir, dafs Fra Angelico, ganz
durchdrungen von der hohen Theologie der
Meisterin, seinen Passionsbildern auch das Vor-
bild der Taufe, die Taufe Christi beifügte
(Zelle 24), dadurch zugleich im Geiste der
mystischen Schule den Gedanken schärfend und
die Taufe im Jordan als das Vorspiel der Blut-
taufe am Kreuze auffassend.27)

Eigenthümlich, aber bezeichnend für ihre
liebeströmende Kreuzesmystik, ist die Art, wie
Katharina das letzte Abendmahl in innere Be-
ziehung zum Tode des Herrn setzt. Die uns
so naheliegende Idee des Opfers, des Kreuzes-
opfers und des Mefsopfers, tritt ganz zurück.
Statt dessen wird der Charakter des Mahles,
der Speise, des Essens betont. Das Engelbrod,
das die Jünger am Abende vor dem Leiden
empfingen, geniefst die Seele auch in der my-
stischen Vereinigung mit dem Gekreuzigten.
Dieses Brod der Engel ist nichts anderes, als
das „aufzuckende Verlangen nach Gott". In
der Redeweise Katharinas ist das „Essen am
Tische des heiligsten Kreuzes" der stehende
Ausdruck für das geheimnifsvolle Umfassen des
am Kreuz Erhöhten, für die Verähnlichung der
Seele mit dem unbefleckten Opferlamm.28)

M) Lett. CI (II, 192), XCVI (II. 174), LXXXI
(II, 99) Vgl. CCCLXII (IV, 432): „Ricreati a g.azia
in quella ardentissima rosa vermigüa dal sangue di
Crislo, nel quäl sangue fummo lavati dalla colpa pel
santo battesimo."

27) S. Antonino lett. I (Biscioni pag. 172)
(Cristo) „aveva detto piü tempo inanzi (vor seinem
Leiden), come narra Santo Luca: Baptisma habeo
baptizari: io ho a esser battezzato, cioe imbagnato
della effusione del sangue mio alla colonna e croce."

28) .11 libro della divina dottrina« c. LXXXIX
pag. 111: (die Seele) „con espasimato desiderio si
diletta di prendere el cibo in sulla mensa della san.
tissima croce, cioe conformandosi coli' umile, patienle,
et immacolato Agnello". Lett. XXVI (I, 97): „Questo
cibo non si mangia in terra, ma in alto; e perö il
Figliuolo di Dio volse essere levato in alto nel legno
della santissima croce, acciocche in alto in su questa
mensa prendessimo questo cibo". Lett. XXXVI (1,158):
(il grandissimo desiderio) „manifestö nella cena del
Giovedi santo, quandodisse: Con desiderio hodesiderato

di farPasqua con voi, prima ch' io muoia___Questa era

la Pasqua che egli diceva, cioe di dare se medesimo
in cibo". Lett. CCCLIII (IV, 389): „Si nutrica del
cibo angelico, cioe del santo desiderio di Dio, levan-
dosi in alto, come detto e, a prenderlo in su la
 
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