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Grabschrift.


Lieutenant Krailthuber's letzte Wache.
Es war in der Glanzperiode der deutschen Bürgerwehr,
als an einem schwülen Sonntage der Lieutenant Krauthuber
die Wache an einem der Stadtthore bezogen Hatte. Seines
Zeichens ein Weinhändler, war Krauthuber auch unter den
,Wassen immer noch der biedere Gastwirth, der mit unnach-
ahmlicher Grazie ein „halbes" auf den Tisch setzte und „Wohl
bekomm's" dazu sagte. Der Tag war, wie gesagt, sehr
schwül, Krauthuber hatte sich der Länge nach auf die Bank
gestreckt und las den „Reichspostreuter", freute sich über den
ITürkenkrieg, der so weit von seiner Thorwache wüthete, und
deshalb auch nicht geeignet schien, die Sicherheit seiner geliebten
Vaterstadt zu bedrohen. Daplötzlich unterbrach seine Lecture ein
!würdiger Bürgerwehrmanu, welcher an seinen Hut tupfte
!und sprach: „Herr Lieutenant, ick krieg heut en Föhr Torf,
det is so billig nn to hebben, kann ick Woll mal to Huus
sgähn?" — „Ja woll, mein Jung!" erwiderte Krauthuber,
>und fuhr ruhig im Türkenkriege fort. Die Hitze stieg immer
mehr und zwei Wächter der Stadt ersuchten ihren Wacht-
!kommandanten um die Erlaubniß „mal en bitten to'n Baden
suttogahn!" was ihnen auch gnädigst bewilligt wurde. —
Kaum waren diese Wasserfreunde verschwunden, so entwickelte
sich aus dem Hintergründe der Wachtstube eine Gestalt, die
kläglich über Leibschmerzen von zuviel genossenem Gurkensa-
lat lamentirte, und ebenfalls die Berechtigung empfing, ihr
Leid unter eigenen! Dache zu vergessen, und ihren Bauch
durch einen Bittern curiren zu können. Eben war Kraut-
huber mit dem letzten Türken fertig, als sich die Thüre öff-
nete und der Posten selbst herein flüsterte: „Herr Lieutenant,
ick Hett heut Schellfisch un de wird kalt, kann ick woll mal'n
bitten to Huus?" — „Ja wohl, mein Jung!" sagte der
freundliche Krauthuber niit unerschütterlicher Ruhe, und dahin
zog der letzte der Mohikaner und der Wacht-Commandant sah

Lieutenant Krauthuber's letzte Wache.
sich allein, wie Marius auf den Trümmern von Karthago,
was denselben aber wenig genirte. Er erhob sich dehnend
von der Bank, setzte den Dreispitz etwas mehr nach vorn,
zog gravitätisch den Degen aus der Scheide und patrouil-
lirte selbst als Posten aus und nieder, in seinem Gott ver-
gnügt und seine Lieblingsmelodie vor sich hin pfeifend. Ein
so edles Beispiel von Selbstaufopferung hatte noch nie ein
Feldherr gegeben, und wenn nur Jemand dagewesen wäre,
der einen „Schluck" besorgt hätte, so wäre seine Zufrieden-
heit vollkommen gewesen. Doch dieser Jemand fehlte und
Krauthuber dachte bei sich: „Datt kannst du selber besorgen!"
Gedacht, gethan; die Wache ward verschlossen, der Säbel
eingesteckt und unser Lieutenant ging vollkommen seelenruhig
um die Ecke, als ein die Ronde machender Hauptmann des
Weges daher kam. „Wöölt je in de Wacht 'rin: hier sin
de Schlüssels!" mit diesen Worten trat Krauthuber auf den
Vorgesetzten zu und überreichte ihm das verhängnißvolle Be-
weisstück seiner Fahrlässigkeit mit einer Würde und Grazie, 1
die man an ihm gewohnt war. Das war zu viel! Vom
Erstaunen über das Unerhörte ging der Hauptmann sehr bald i
zum heftigsten Zorne über und der gute Weinhändler wurdes
sofort von den den Hauptmann begleitenden Getreuen verhaf-s
tet, um vor eine Art Kriegsgericht gestellt zu werden.
Da ward nun geschrieben und protokollirt, Zeugen wur-s
den vernommen, Verhöre wurden angestellt, aber von Kraut-s
Huber war keiue andere Antwort heraus zu bringen, als::
„Jk Haff ein de Schlüssels geben, — op de Wacht weer mii
dat alleen to langwilig!" —
Das Kriegsgericht schwitzte gewaltig; endlich war der;
feierliche Tag erschienen, wo das Urtheil verkündigt werden
sollte. Es lautete auf den Tod durch die Kugel, war aber
von einer hohen Regierung als besondere Gnade in eine be-
deutende Geldstrafe umgewandelt worden. Alles jubelte, nur ;
Krauthuber behielt seine gewohnte Ruhe und antwortete:
„Betalen thu ick nich, und Begnadigung will ick ook nich —
ick will todtgeschooten wer'n!"
Darauf war man nicht gefaßt! Vergeblich drang man
in den Weinhändler, doch die Strafe zu zahlen, er blieb
steif und fest bei seinem heldemnüthigen Entschlusse, den er .
dadurch begründete, daß er dann „auf keinen Fall mehr auf ;
Wache zu ziehen brauche!" — Was war zu thun? Der
Blutdurst der Väter der Stadt ivar nicht so groß, um Kraut-;
Huber's Leben zu opfern, man half sich also dadurch, daß
man ihn todt für die Bürgerwehr erklärte und ihn aus den
Listen dieser bewaffneten Schaar strich.
Jahrelang noch spazierte unser Deserteur bei seinen ehe-!
maligen Kameraden vorbei, und wenn er an einem heißen
Tage so einen Posten auf der Thorwache recht schwitzen sah,
dann rief er ihm höhnisch lächelnd zu: „Laat Di dootscheten,
mein Jung, daun bist de Plog los!"
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Grabschrift"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Grabinschrift
Grabstein
Karikatur
Satirische Zeitschrift

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 24.1856, Nr. 562, S. 78

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