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Neisegeschicke eines jungen Ehepaares.

(Fortsetzung.)

Ich war eben im Begriffe einzusteigen, als ich die nicht
eben einladenden Blicke zweier griesgrämiger alter Herren und
einer Dame, deren Gewicht auf der Wagschalc der Gerechtigkeit
mindestens einhundert neun und neunzig Pfund zählen mochte,
gar deutlich bemerkte.' Ich stutzte indignirt, aber der Kutscher
ergriff meinen Arm und versicherte mich in seinem breiten
Dialekte, daß noch Raum für zwei Personen und ein Kind
unter fünf Jahren übrig sei. Seufzend nahm ich den von
Gedankenblöße angekränkelten Platz ein. So drückte sich
Shakespeare in Hamlet aus.

Der Augenblick der Abfahrt war gekommen, der Kutscher
klatschte mit der Peitsche, die Rosse begannen zu schnauben,
die Räder zu rollen. Da winkte plötzlich ein weißes Taschen-
tuch; unsere Rollmaschine, so schwer belastet, hielt seufzend
still, der Kutscher sprang vom Bocke, öffnete den Wagenschlag
und eine außerordentlich dicke Dame mit einem Knaben von
ungefähr vier Jahren auf dem Arme machte sich anheischig,
die Stufen unsers Freudentempels zu ersteigen.

Da erhob sich ein allgemeiner Schrei des Entsetzens;
die zwei milzsüchtigcn Herren wurden limonienfarbig, die
Hundertneunundneunzigpfünderin schoß Feuerblickc nach ihrer
Nebenbuhlerin an Gewicht, ein fettbänchiges Herrlein verlor
bei dem unerwarteten Schreckensanblickc den Athen: und ich,
so reizbar und nervös, begann Haupt und Busen aus dem
Wagenfenster zu strecken und nach Lust zu ringen. — Die
dicke Wienerin wurde purpurroth aus Aerger und behauptete,
schon des Morgens ihren Platz gcmiethet zu haben. Der
Kutscher unterstützte durch einen unglaublichen Wortschwall
das in Frage gestellte Recht der Dame, sagte, er hätte ihr
Kommen nicht mehr vermuthet, und versicherte grob, es sei

noch Platz genug da für eine Person und ein Kind unter
fünf Jahren. Er begann auch bereits der Dame, welche
willenskräftig ihren des Morgens gemietheten Platz zu be-
haupten sich anschickte, den nöthigen Vorschub zu leisten, als
ein neues Gekreische diesem Vorhaben Schranken zu setzen
sich erhob.

Das Kind unter fünf Jahren, ein dickköpfiges und
breitohriges Geschöpf, fing an zu weinen und schnitt wahrhaft
empörende Gesichter, worüber ein Thcil der Gesellschaft un-
willkürlich in heitere Stimmung gerieth. Gewalt und fester
Wille siegten. Der Wagen krachte, die Hundertneunundneunzig-
pfünderin schnaubte, die limonienfarbigen Herren wurden grün-
lich, — aber die Dame, welche ihren Platz des Morgens
gemiethet hatte, saß auf ihrem Sitze und trocknete ihrem
Sprößling unter fünf Jahren die heißen Thränen. Der
Kutscher klatschte wieder mit seiner Peitsche, die Pferde schnoben
abermals und die massige Mcnschenpreßrollmaschine rollte
über das weltberühmte Wienerpflaster hin und wurde selbst
wieder von einigen hundert Wagen und Mcnschcnsluthgischten
eingepreßt. Wir fuhren über die kaiserliche Burg. O Leonie!
Die Bilder aus dem belagerten Wien standen so lebhaft vor
meiner Seele. Ich sah den Wagen des spanischen Gesandten
mit den acht Schiinmeln und den Lcibfourireu ans dem
Hintergestelle an der übelberüchtigtcn Salva Guardia des
Jahres 1683 vorüberfahren. Noch hat sich die Burg der
Habsburger seit jener interessanten Zeitcpoche wenig verändert,
und ich fühlte mich ganz in dieselbe zurückversetzt. Das
Denkmal des großen Helden Erzherzog Carl gehört zwar
der neueren Epoche an, doch macht sie dem Bildhauer Fern-
korn die größte Ehre. Mein Gatte hat weder am Historischen
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die unangenehme Ueberraschung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Busch, Wilhelm
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Bierkrug
Bier <Motiv>
Ekel <Motiv>
Ratte <Motiv>
Finden
Flucht
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 38.1863, Nr. 931, S. 150

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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