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Die Briefmarkensammlev.

August warf noch einen liebeschmachtenden Blick auf
Adelgunde und verschwand dann mit Drehfelder im nächsten
Zimmer. Hier tauschten die beiden Männer unter tiefen
Verbeugungen ihre Albums aus. Da saßen sie nun vertieft
in dem Anblick ihrer kostbaren Schätze. Bald stieß Der ein
Ach! und Jener ein Oh! aus, bald geschah dasselbe umge-
kehrt. Und doch fand Keiner von Beiden etwas Anderes in
dem fremden Album als in seinem eigenen. Jeder von ihnen
besaß ganz genau dasselbe, was auch der Andere in seiner
Sammlung führte und es war nur die Verwunderung, einer
eben so vollständigen Sammlung zu begegnen, welche die
beiderseitigen Achs! und Ohs! hervorrief.

Endlich, als Drehfclder bis zum Ende von August's
Album gekommen war, klappte er dasselbe unmuthig zusam-
men, warf cs verächtlich auf den Tisch und rief:

„Es ist dennoch nichts mit Ihrer Sammlung! Ich
glaubte bei Ihnen gewiß chinesische Briefmarken zu finden,
allein vergeblich!"

„Das ist leicht erklärlich," lachte August, „denn in
China kennt man diese Postzeichen noch gar nicht."

„Wer sagt Ihnen das?" fuhr Drehfelder auf, „im
Gcgcnthcil, ich bin sogar fest überzeugt, daß ein so gebildetes
Volk wie die Chinesen sich, schon der Briefmarken früher
bedient hat, als wir in Europa. Diese verschmitzten Kerle
lassen jedoch keine Marken in das Ausland gelangen, und
das ist eben mein Jammer, mein namenloses Unglück!"

August sah ein, daß diese Ansicht Drchfcldcr's nicht
weg zu disputiren war. Er brach daher diesen Gegenstand
rasch ab.

„Lassen Sie mich jetzt nochmals meine dringende Bitte
wiederholen," lenkte der junge Mann ein. „Geben Sie mir
die Hand Ihrer Tochter; Sie machen dadurch zwei Herzen
auf ewig glücklich!"

„Bedaure unendlich," murmelte Drehfelder dumpf, „ich
habe gelobt, nur Demjenigen die Hand meiner Tochter zu be-
willigen, der mir die ersten chinesischen Briefmarken überbringt."

„Ist das Ihr fester Wille?" fragte August.

„Mein letztes Wort!" versicherte Drehfelder.

„Nun wohlan! Sic sollen sehen, was Liebe vermag.
Noch heute reise ich nach China, und ich werde mein Leben
daran setzen, Ihren Wunsch zu erfüllen. Bewahren Sie mir
die Hand Adelgundens, denn ich komme entweder mit den
chinesischen Briefmarken oder — nie wieder."

Mit diesen Worten stürmte August zum Hause hinaus.
Unten ans der Straße wandte er sich noch einmal um und
warf der am Fenster in Thränen schwimmenden Adelgunde
einen letzten Handkuß zu. Dann reiste er nach China ab.

Drittes Kapitel.

Eö war gegen das Ende des Jahres 1863, als August
von Wolfszahn in China anlangte. Außer seinem geliebten
Briefmarkenalbum und dem treuen Andenken an seine geliebte
Adelgunde führte August blos eine kleine Reisetasche mit sich, um
überall ungehindert seinen großen Zweck verfolgen zu können.

171

Sobald er das chinesische Festland betrat, machte er den Ein-
geborenen durch Zeichen sein Verlangen begreiflich. Bald
zeigte er auf seine Briefmarkensammlung, bald faltete er ein
Papier in Briefform und, die Chinesen ansehcnd, leckte er
dann fragenden Blickes den Zeigefinger seiner rechten Hand,
der das Briefmarkenaufklebungsgeschäft zu besorgen gewohnt
ist. Aber die Chinesen schüttelten die Köpfe und lachten den
Fremdling herzlich aus.

So gelangte August im Februar des Jahres 1864 nach
Canton, weil er die kaiserliche Residenzstadt als die letzte
Möglichkeit für die Erfüllung seiner Wünsche ansah. Ent-
weder dort oder sonst nirgends in China konnte es Brief-
marken geben.

Tag für Tag zog August durch die Straßen Cantons,
sein Album in der Linken, den rechten Zeigefinger am Munde
und Jeden ans diese Weise ausforschcnd; aber nie ward ihm
■ mehr als ein lächelndes Kopfschütteln zur Antwort. August's
sonderbares Benehmen machte jedoch selbst in dieser Riesen-
stadt gewaltiges Aufsehen, und bald folgte ihm ein unabseh-
barer Trupp lärmender Chinesen, wenn er sich auf den
Straßen sehen ließ.

Die Kunde von dem sonderbaren Fremdling gelangte
endlich auch bis zu dem Kaiser, und dieser gab alsbald
Befehl, den merkwürdigen Kauz einzufangen und vor ihn zu
bringen. Eine Stunde später war schon dieser Befehl er-
füllt. Gefesselt ward August von Wolfszahn vor den Thron
des Chinesenkaisers geschleppt, aber sein Kleinod, das kost-
bare Briefmarkenalbum, hatte er sich nicht entreißen lassen. !

Auf einen Wink des Kaisers erschienen eine Menge
Dolmetscher, und unter diesen war auch ein geborener
Berliner, der als Matrose der letzten preußischen Ostasiatischen
Erpedition bcigcwohnt und sich in Canton als Hühneraugcn-
opcratcur niedergelassen hatte. Diesem Manne erzählte 1
August seine Abenteuer und gab ihm seine Briefmarken- >
sehnsucht zu erkennen. J

oo*
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Briefmarkensammler"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

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Ausstellung

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Digitales Bild
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Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 38.1863, Nr. 934, S. 171

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