174
Die Audienz.
Es sind jetzt hundert Jahre, daß ein Mann hoch in
den 60ern, in tief gebeugter Stellung beim Eingänge des
Saales vor seiner Rcgentin stand und nicht aufzusehen wagte.
Die Furcht, mit einer so hohen Dame zu sprechen, benimmt
ihm den Athem und beraubt ihn des wenigen Verstandes,
welchen ihm Mutter Natur in so kleiner Dosts verabreicht
hatte. Erst nach einigen für ihn schrecklichen Minuten erholt
er sich langsam und nachdem ihn die Monarchin, die sich an
seiner Verlegenheit sehr zu ergötzen scheint, durch einige her-
ablassend gesprochene Worte aufgemuntert hatte, wagt er
seine Ansprache; er räuspert sich und beginnt wie folgt: '
„Majestät! Bevor ich mein allerunterthänigstes Anliegen
vor den Stufen Eures hohen Thrones in der tiefsten Ehrfurcht
darzubringen wage, meinen Gruß, allergnädigste Gebieterin!"
(Meine Pause, während welcher der Supplikant vollends
zu sich kommt. Die Dame winkt huldvoll mit ihrer zarten
Hand zum Zeichen, daß sie gnädigst geneigt sei, ihm ihr
allerhöchstes Ohr zu leihen.)
„Kurz nach Antritt Eurer huldvollsten Regierung ge-
ruhten Ew. Majestät ein Handschreiben durch Euren unter-
thänigsten Staatsminister an Eure ebenso unterthänigsten
Völker veröffentlichen zu lassen, worin Jedermann, wäre es
auch der geringste Mann im Lande, aufgefordert wurde, seine
Hnldigungen vor Ew. Majestät Throne persönlich darzubrin-
gen und diese seine Untergebenheit auch tatsächlich zu beweisen.
Die meisten Eurer Unterthanen waren bereits vor' Eurem
Throne erschienen und haben mehr oder weniger kostbare Ge-
schenke gebracht, nur meine Wenigkeit war noch nicht gekommen.
Mangel an Ehrfurcht war es nicht, was mich davon abhielt,
sondern es fehlte mir das liebe Geld, um eine so einer hohen
Dame würdige Gnbc zu bringen.
Die Audienz.
„Wäre ich ein Krösus, alle Schätze Indiens lägen zu
Hochdero Füßen, wäre ich ein Solon, all' mein Wissen wollte
ich Eurem und dem Wohle Eures Staates weihen (ob Ew.
Majestät damit gedient wäre, weiß ich nicht), wäre ich ein
Kriegsheld, wie weiland Alexander Magnus, die ganze Welt
müßte Ew. Majestät unterthan sein; da ich aber dieses alles
nicht bin, kein Krösus, kein Solon, kein Alexander, sondern
nur der kleinste Subaltdrnbeamte Eures Staates, so bringe
ich Euch hiemit ein Opfer — ein Opfer — was lOOOmal
mehr Werth hat, als wenn Krösus Millionen bringen würde."
Die Rcgentin erhebt sich voll Staunen und Neugierde
von Ihrem Throne nnd geht dem Bittsteller mit großer Er-
wartung einige Schritte näher; Bittsteller aber greift in seinen
Hosensack, zieht daraus eine zerrissene Börse hervor, öffnet sie
behutsam, sucht einige Zeit darin, nimmt endlich ein Zehn-
kreuzerstück heraus und spricht mit gedämpfter Stimme:
„Hier Majestät, das Ersparniß meiner 40jährigcn
Dienstzeit!"
Dcrhohen Dame Augen sprühen Flammen, Ihre Wangen
röthen sich vor Zorn und mit fürstlicher Erbitterung schleudert
Sie das Silbcrstück an den ergrauten Schädel des Alten.
Doch jener hebt es ruhig auf, verschwindet durch die Thüre
zwischen den Zähnen murmelnd: „Hab Ich's wenigstens er-
spart^ — geht langsam nach Hause und gibt es als Aus-
steuer seiner Tochter, die Braut ist.
Was ist eine Entrcsol-Wohnung?
Eine Entrcsol-Wohnung dös ist a Logis, wie sag' ich
gleich? a Logis — nun ja, wo man mit den Hühneraugen
zum Fenster h'naussckant.
Die Audienz.
Es sind jetzt hundert Jahre, daß ein Mann hoch in
den 60ern, in tief gebeugter Stellung beim Eingänge des
Saales vor seiner Rcgentin stand und nicht aufzusehen wagte.
Die Furcht, mit einer so hohen Dame zu sprechen, benimmt
ihm den Athem und beraubt ihn des wenigen Verstandes,
welchen ihm Mutter Natur in so kleiner Dosts verabreicht
hatte. Erst nach einigen für ihn schrecklichen Minuten erholt
er sich langsam und nachdem ihn die Monarchin, die sich an
seiner Verlegenheit sehr zu ergötzen scheint, durch einige her-
ablassend gesprochene Worte aufgemuntert hatte, wagt er
seine Ansprache; er räuspert sich und beginnt wie folgt: '
„Majestät! Bevor ich mein allerunterthänigstes Anliegen
vor den Stufen Eures hohen Thrones in der tiefsten Ehrfurcht
darzubringen wage, meinen Gruß, allergnädigste Gebieterin!"
(Meine Pause, während welcher der Supplikant vollends
zu sich kommt. Die Dame winkt huldvoll mit ihrer zarten
Hand zum Zeichen, daß sie gnädigst geneigt sei, ihm ihr
allerhöchstes Ohr zu leihen.)
„Kurz nach Antritt Eurer huldvollsten Regierung ge-
ruhten Ew. Majestät ein Handschreiben durch Euren unter-
thänigsten Staatsminister an Eure ebenso unterthänigsten
Völker veröffentlichen zu lassen, worin Jedermann, wäre es
auch der geringste Mann im Lande, aufgefordert wurde, seine
Hnldigungen vor Ew. Majestät Throne persönlich darzubrin-
gen und diese seine Untergebenheit auch tatsächlich zu beweisen.
Die meisten Eurer Unterthanen waren bereits vor' Eurem
Throne erschienen und haben mehr oder weniger kostbare Ge-
schenke gebracht, nur meine Wenigkeit war noch nicht gekommen.
Mangel an Ehrfurcht war es nicht, was mich davon abhielt,
sondern es fehlte mir das liebe Geld, um eine so einer hohen
Dame würdige Gnbc zu bringen.
Die Audienz.
„Wäre ich ein Krösus, alle Schätze Indiens lägen zu
Hochdero Füßen, wäre ich ein Solon, all' mein Wissen wollte
ich Eurem und dem Wohle Eures Staates weihen (ob Ew.
Majestät damit gedient wäre, weiß ich nicht), wäre ich ein
Kriegsheld, wie weiland Alexander Magnus, die ganze Welt
müßte Ew. Majestät unterthan sein; da ich aber dieses alles
nicht bin, kein Krösus, kein Solon, kein Alexander, sondern
nur der kleinste Subaltdrnbeamte Eures Staates, so bringe
ich Euch hiemit ein Opfer — ein Opfer — was lOOOmal
mehr Werth hat, als wenn Krösus Millionen bringen würde."
Die Rcgentin erhebt sich voll Staunen und Neugierde
von Ihrem Throne nnd geht dem Bittsteller mit großer Er-
wartung einige Schritte näher; Bittsteller aber greift in seinen
Hosensack, zieht daraus eine zerrissene Börse hervor, öffnet sie
behutsam, sucht einige Zeit darin, nimmt endlich ein Zehn-
kreuzerstück heraus und spricht mit gedämpfter Stimme:
„Hier Majestät, das Ersparniß meiner 40jährigcn
Dienstzeit!"
Dcrhohen Dame Augen sprühen Flammen, Ihre Wangen
röthen sich vor Zorn und mit fürstlicher Erbitterung schleudert
Sie das Silbcrstück an den ergrauten Schädel des Alten.
Doch jener hebt es ruhig auf, verschwindet durch die Thüre
zwischen den Zähnen murmelnd: „Hab Ich's wenigstens er-
spart^ — geht langsam nach Hause und gibt es als Aus-
steuer seiner Tochter, die Braut ist.
Was ist eine Entrcsol-Wohnung?
Eine Entrcsol-Wohnung dös ist a Logis, wie sag' ich
gleich? a Logis — nun ja, wo man mit den Hühneraugen
zum Fenster h'naussckant.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Audienz" "Was ist eine Entrefol-Wohnung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Entresol <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 39.1863, Nr. 960, S. 174
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg