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Vom wilden Wein.

Der wilde Wein, der wilde Wein,

Ist eine wack're Pflanze! —

Das Traubentragen läßt er sein,

Doch ist sein Blattwerk schön und fein;

Drum lob ich mir den wilden Wein,

Mit schmuckem Rebenkranze!

Der wilde Wein, der wilde Wein,

Erkennt auch seine Fehler;

Es schmerzt ihn tief in's Holz hinein,

Daß er so nutzlos müsse sein;

Daß nie er füllt mit süßem Wein
Den allerkleinsten Keller.

Der wilde Wein, der wilde Wein,

Wird roth und immer röther;

Je mehr es geht in Herbst hinein,

Färbt glühend der Beschämung Pein,

Daß nie er trägt ein Bccrlein Wein,

Hell purpurn seine Blätter.

Der wilde Wein, der wilde Wein,

Ist darum auch zu ehren;

Füllt er gleich nie ein Fässelein,

So läßt sich doch im Purpurschein
Der Blätter sein, manch' Gläschen Wein
Gar sehr behaglich leeren.

Der wilde Wein, der wilde Wein,

Als mancher Thor viel besser,

Der Titel trägt, deß' Stolz nicht klein,

Und doch bringt Niemand Nutzen ein,

Ist doch als Pflanze nicht als Wein,
Bescheid'ner und d'rnm größer.

' M. W.

Unglaublich, aber wahr. 67

An einem heißen, sonnigen Tage ging in der Mittags-
stunde Frau von Röder, eine nicht mehr junge Dame, vom
Markte kommend, ihrer weit entfernten Wohnung zu.

In der einen Hand trug sie den Sonnenschirm und
eine ziemlich angefüllte Arbeitstasche, und im linken Arme einen
großen Blumentopf mit einem schönen, blühenden Rosenstocke.

Als sie um die erste Straßenecke gebogen war, kamen
ihr zwei junge Mädchen, ihre Nichten Marie und Anna,
von 14 und 16 Jahren entgegen, welche sogleich mit herz-
lichem, fröhlichem Gruße auf die geliebte Tante zusprangen.

„Ach, Tantchen!" rief die jüngere Marie, „was für
köstliche Rosen! — Hast Du die auf dem Markte gekauft?"
„Gewiß, Mariechen! und sie sind zu einem Geschenke bestimmt."

„Sicherlich für die Mama!" meinte Anna.

„ Getroffen, mein Kind!" lautete die Antwort der Tante. —
„Ich weiß, daß Eure Mutter die Rosen so sehr liebt und
da will ich ihr gern eine Freude damit machen."

„Wie gut und lieb Du bist!" versicherte Anna.

Marie aber brach in die Worte aus: „Weißt Du j
wohl, Tantchen, daß es eigentlich über alle Maßen hübsch
von Dir ist, daß Du uns in diesem Sommer besucht hast?"

„Ja, wirklich!" setzte Anna hinzu — „es war ein
prächtiger Einfall, auf ein paar Wochen von Deinem Gute
hereinzukommen, und bei uns zu wohnen. Seit Deiner
Ankunft ist es viel schöner und lustiger bei uns!"

„Und welche hübsche, amüsante Geschichten Du weißt,"
stimmte Marie bei, und fuhr bittend fort: „Erzähle uns
doch unterwegs Etwas, damit der weite Weg nicht so lang-
weilig wird. Bitte, bitte, beste Tante!"

„Gern! Ich werde Euch eine sehr merkwürdige Geschichte
erzählen ; vorher aber müßt Ihr mir sagen, womit Ihr Euch heute
Morgen beschäftigt, und was Ihr in der Stadt gemacht habt." !

Die Mädchen erzählten; aber Marie trieb immer,
daß die Tante doch ihre Geschichte beginnen sollte. — Durch
allerlei Fragen wußte aber Tante Röder dies stets weiter
hinauszuschieben; doch endlich als sie schon in die letzte Straße
einbogen, in welcher sie wohnten, sagte Frau von Röder:

„Nun, Kinder, will ich Euch auch meine Geschichte er-
zählen. — Sie ist unglaublich, aber wahr! An einem sehr
warmen Sommertage, gerade so heiß, wie der heutige ist, kam
eine ältliche Frau von etwas über 50 Jahren vom Markte,
wo sie einen großen, in einen Topf gepflanzten Nosenstock j
gekauft hatte, welchen sie trotz seiner Schwere und ungeachtet
der großen Hitze tm Arme nach Hause trug, obwohl sie bei-
nahe eine Stunde bis zu ihrer Wohnung zu gehen hatte.
In der Nähe des Marktes begegneten der ältlichen Dame zwei
Nichten, junge, aber schon ziemlich große Mädchen, die mit
ihr denselben Weg zu machen hatten, und zu beiden Seiten
neben ihr hergingen. Und denkt Euch! — Keins der beiden
Mädchen war so aufmerksam, der alten Tante den schweren
Blumentopf abzunchmen, und diese mußte ihre Last allein
immer weiter schleppen, bis alle Drei endlich vor der Thüre
ihrer Wohnung ankamen, wie w ir hier vor unserer Hausthüre.

Seht! — das ist unglaublich und doch wahr!"

st*
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Vom wilden Wein"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Laube
Weinkonsum
Weinausschank
Tabakspfeife <Motiv>
Wein <Motiv>
Karikatur
Junge Frau <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 43.1865, Nr. 1051, S. 67

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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