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Durch de

fläche glatt -und unberührt, da war kein Verkehr zu merken,
nicht die Spur auch nur eines Hinüberlaufcnden, obschon
bereits seit vierzehn Tagen die weiße Decke ausgcbrcitet lag.
Die dort wohnten in den beiden Nachbarhäusern waren ge-
schieden von einander, als ob Strecken Landes meilenweit
zwischen ihnen lägen, und doch waren die Hausväter in
jenen beiden Häusern Brüder, Sohne desselben Vaters und
derselben Mutter.

Es war einmal anders gewesen, das war aber lange
her. Damals, als in dem einen Hause noch der alte Vater
Helmers-wohnte, und bei ihm sein jüngerer Sohn Johannes
mit Weib und Kind, während Traugott, der ältere, das
andere Haus bewohnte, das der Vater ihm gebaut hatte,
als- er hcirathete, da war ein häufiger Verkehr unter den
Verwandten gewesen. Zu Winterszeit gingen sie zu ein-
ander zu Lichten, und die Kinder beider Häuser waren fast
den ganzen Tag zusammen, auf dem Felde draußen zur
Sommerszeit, und im Winter, wenn Wind und Wetter zu
rauh war, um auf der Straße sich hcrumzutrciben, waren
sie bald in dem, bald in jenem Hause beisammen.

Da starb der alte Helmers, und Feld und Flur mußte
getheilt werden. Der Vater hatte die Theilung testamen-
tarisch angeordnct, aber dem älteren Sohne erschien jene
Theilung eine ungerechte. Die ihin zugefallenen Ackerstücke
und Wiesen gaben geringeren Ertrag, während die räumliche
Theilung eine gleiche war. Traugott beklagte sich heftig
über diese Unbilligkeit und verlangte in bitteren Worten vom
Bruder, dem außerdem das geräumigere väterliche Haus zu-
gefallen war, ein Stück Landes als Entschädigung für den
geringeren Bodenwerth seines Theiles. Dieser aber bestand
darauf, es müsse so bleiben, wie cs im Testament verordnet
sei, und grollend gingen beide von einander. Die Zeit,
die so manchen Riß heilt, machte ihn hier nur immer
unheilbarer. Die Entzweiung der Männer zog die der
Frauen nach sich, und nun wühlte in beiden Häusern der
Groll fort und grub sich immer tiefer in die Herzen ein.
An Leuten, die in böser Lust am Unfrieden sich jedes
Zwistes freuen und ihn zu schüren suchen auf alle Weise,
fehlte es auch in Nusdorf nicht. Da gab es Männer,
die heute mit Traugott zusammen saßen und ihm vorhiclten,
wie das ja Jeder sehen müsse, daß er schlecht weggekommen
sei, daß er bei solcher Theilung gar nicht bestehen könne,
daß er geradezu bestohlen sei um das Seinigc; die ihm
seine Aecker und Wiesen noch schlechter und unergiebiger
darstcllten, als sie wirklich waren; und die morgen dem andern
Bruder auseinandersetztcn, daß das Testament Gültigkeit
haben müsse, daß es von dem Traugott recht gottlos sei,
des Vaters letzten Willen anzufechten, und daß es die kind-
liche Pflicht geradezu gebiete, keinen Schritt breit zu weichen.
Vielleicht hätten die Jahre endlich doch Bitterkeit und Groll
gelindert, hätten die Brüder nur nicht gar so nahe beisam-
men gewohnt, daß sie sich Tag sür Tag in die Fenster, in
die Scheuern und Ställe sehen konnten. Nun aber wurde
jede Garbe, die Johannes mehr einfuhr im Herbste, voll

n Schnee.

Ingrimm gezählt, jedes Stück Vieh mit zornigem Auge ge-
messen, und wenn des Johannes Ochsen und Kühe feister
einhcrgingen, hieß es drübend grollend: „Es ist kein Wunder,
hat er uns nicht das beste Weideland gestohlen?" Auch die
Kinder, die sich um den ganzen Handel nicht kümmerten,
wurden getrennt durch der Eltern Groll. „Ihr geht nicht
mehr mit denen da drüben! hört ihr!" hieß cs barsch in
den beiden Häusern. Anfangs hatten die munteren Kleinen
das strenge Verbot umgehen wollen, als sie aber, bei ver-
stohlener Zusammenkunft ertappt, von den erhitzten Müttern
weggerissen und unter Schcltworten und Schlägen hcimgcjagt
wurden, da wagten sie nicht mehr zu einander zu kommen, !
sic hörten Tag für Tag daheim das Schmähen und Schim-
pfen der Eltern über die drüben, und wurden nach und nach
einander fremd und fingen an sich zu hassen, und wußten
doch nicht warum.

Die Kluft zwischen den beiden Häusern, die doch nur
wenige Schritte von einander entfernt lagen, war weit ge-
worden und allem Anscheine nach unübersteiglich. Seit letztem
Spätherbst aber war sie vollends weit aufgerisscn. Das eine
große Feld war in der Mitte getheilt worden, und die
Grollenden waren dort oft genvthigt, hart nebeneinander zu
hacken und zu graben, zu pflügen und zu schneiden, aber '
finster und schweigend ging dann Jeder seiner Arbeit nach,
und sie vermieden sorgfältig sich dabei anzuschauen. Da
war der Traugott im letzten Spätherbst hinausgegangen auf
jenes Feld, wo Johannes schon emsig pflügte, und es hatte
ihm geschienen, als schneide des Bruders Pflugschaar ihm
einen Streifen seines Bodens ab, und der Grimm, der
Jahre lang in ihm gewühlt, war jählings aufgeschlagen in
Helle Flammen, er war hinzugelaufen und mit den Worten:
„Verdammter Dieb! hast mich noch nicht genug bestohlen!"
hatte er den Ueberraschten in seinen Pflug hineingeworfen
und ihn mit Fäusten geschlagen und gewürgt. Es war ein
Glück für Beide, daß kräftige Männer den Kampf gewahrten,
herzuliefcn und die Ringenden auseinanderbrachten, ehe das
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Durch den Schnee"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Abwehr
Pflug
Unzufriedenheit
Pferd <Motiv>
Erbenbesitz
Zorn <Motiv>
Schlag
Erbe <Person, Motiv>
Bruder <Motiv>
Wut <Motiv>
Acker
Ackerfläche
Karikatur
Grenze <Motiv>
Ochse <Motiv>
Feld <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Prügel <Motiv>

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 43.1865, Nr. 1067, S. 194

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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