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Das Portrait der Geliebten.
Sein Zimmernachbar: „Himmelsakerment, sticht's heut wieder! Na, das Neujahr fangt wieder schön an."
Er und Zimmernachbar (zugleich): „Jetzt hab'n wir's! Superbe — au — weh! Prosit Neujahr!"
Reelles Hciratchsgcsuch.
Wir waren in den Ferien in die Schweiz gereist, mein
Freund Schlaich und ich — wir standen Beide im glücklichsten
Alter, zwanzig Sommer krönten unsere Scheitel und froh .und
heiter blickten wir in die Welt. Unsere Väter gehörten zu
den Auserwählten des Glücks — Schlaich's Vater wau. Arzt
mit einer vorzüglichen Praxis, und der mcinige Gesandter
eines kleinen Staats an einem süddeutschen Hose. Der alte
Schlaich schasste darauf los, um gegen gute Bezahlung mög-
lichst langsam eine Anzahl Menschen in's bessere Jenseits zu
spediren, und mein guter Alter — Gott Hab' ihn selig —
ließ eS sich angelegen sein, die auf seine einflußreiche Stell-
ung verwendeten Summen dadurch seinem Vaterlandc nutzbar
zu machen, daß.er seiner Negierung stets getreulich berichtete,
was er bei den Hoffesten gegessen, und was für Hosen der
X.'sche Geschäftsträger angehabt hatte. Was Wunder, wenn
auch wir, die respectiven Söhne, das Leben nur von der
Sommerseitc betrachteten, und nichts von dem Schatten unserer
Antipoden wußten. Genossen wir doch unser Dasein so gut
wir es verstanden, — Geld genug hatten wir ja; was küm-
merte uns die Zukunft?
Aber Fortuna ist ein Weib, und wie Alle ihres Geschlechts
schwach und gebrechlich. Während wir vom Rigi herab mit
stolzer Verachtung auf die Welt zu unseren Füßen blickten, lag
mein guter alter Vater auf dem Schmerzenslager, und als
wir in den nächsten Tagen aus den luftigen Höhen wieder
zu Thal stiegen, erreichte mich die Nachricht, daß er seine
Kräfte schwinden fühle und mich vor seinem Tode noch einmal
an sein treues Herz zu drücken wünsche.
Ich eilte heim, fand aber meinen Vater bereits auf der
Bahre. Mein Schmerz war groß, größer aber noch der all-
gemeine Jammer, als wir fanden, daß er seinen «Kindern
außer seinem Segen nichts hintcrlasscn hatte.
Als unsere Verwandten diesen, auch sic überraschenden Stand
der Dinge hörten, hielten sie einen Familienrath, und eine alte
Tante in Wien, welche kinderlos war, erbot sich, die Mittel
zur Volle.ndung der Erziehung der drei gut gcrathenen Söhne
ihres verstorbenen Bruders herzugeben. Ich ward dadurch in
den Stand gesetzt, meine Studien zu beenden, und auch meine
Brüder konnten ihrer Neigung nach einen Beruf wählen.
Die würdige Frau je gesehen zu haben, konnte ich mich
Das Portrait der Geliebten.
Sein Zimmernachbar: „Himmelsakerment, sticht's heut wieder! Na, das Neujahr fangt wieder schön an."
Er und Zimmernachbar (zugleich): „Jetzt hab'n wir's! Superbe — au — weh! Prosit Neujahr!"
Reelles Hciratchsgcsuch.
Wir waren in den Ferien in die Schweiz gereist, mein
Freund Schlaich und ich — wir standen Beide im glücklichsten
Alter, zwanzig Sommer krönten unsere Scheitel und froh .und
heiter blickten wir in die Welt. Unsere Väter gehörten zu
den Auserwählten des Glücks — Schlaich's Vater wau. Arzt
mit einer vorzüglichen Praxis, und der mcinige Gesandter
eines kleinen Staats an einem süddeutschen Hose. Der alte
Schlaich schasste darauf los, um gegen gute Bezahlung mög-
lichst langsam eine Anzahl Menschen in's bessere Jenseits zu
spediren, und mein guter Alter — Gott Hab' ihn selig —
ließ eS sich angelegen sein, die auf seine einflußreiche Stell-
ung verwendeten Summen dadurch seinem Vaterlandc nutzbar
zu machen, daß.er seiner Negierung stets getreulich berichtete,
was er bei den Hoffesten gegessen, und was für Hosen der
X.'sche Geschäftsträger angehabt hatte. Was Wunder, wenn
auch wir, die respectiven Söhne, das Leben nur von der
Sommerseitc betrachteten, und nichts von dem Schatten unserer
Antipoden wußten. Genossen wir doch unser Dasein so gut
wir es verstanden, — Geld genug hatten wir ja; was küm-
merte uns die Zukunft?
Aber Fortuna ist ein Weib, und wie Alle ihres Geschlechts
schwach und gebrechlich. Während wir vom Rigi herab mit
stolzer Verachtung auf die Welt zu unseren Füßen blickten, lag
mein guter alter Vater auf dem Schmerzenslager, und als
wir in den nächsten Tagen aus den luftigen Höhen wieder
zu Thal stiegen, erreichte mich die Nachricht, daß er seine
Kräfte schwinden fühle und mich vor seinem Tode noch einmal
an sein treues Herz zu drücken wünsche.
Ich eilte heim, fand aber meinen Vater bereits auf der
Bahre. Mein Schmerz war groß, größer aber noch der all-
gemeine Jammer, als wir fanden, daß er seinen «Kindern
außer seinem Segen nichts hintcrlasscn hatte.
Als unsere Verwandten diesen, auch sic überraschenden Stand
der Dinge hörten, hielten sie einen Familienrath, und eine alte
Tante in Wien, welche kinderlos war, erbot sich, die Mittel
zur Volle.ndung der Erziehung der drei gut gcrathenen Söhne
ihres verstorbenen Bruders herzugeben. Ich ward dadurch in
den Stand gesetzt, meine Studien zu beenden, und auch meine
Brüder konnten ihrer Neigung nach einen Beruf wählen.
Die würdige Frau je gesehen zu haben, konnte ich mich
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das Portrait der Geliebten"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Missgeschick <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 52.1870, Nr. 1277, S. 2
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg