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Leid und Liebe.

Das Schncetuch der winterlichen Erdenbahre war von
der duftenden Hand des erweckenden Frühlings wieder auf-
gehoben — der Herzschlag der Natur begann wieder mit dem
weicher gestimmter Seelen zu sympathisiren. — Die Lerche
tropfte die in den höheren Regionen geschöpfte Himmelsluft
gleichsam zu frommen Gesängen verflüssigt in unwillkürlicher
Begeisterung wieder auf die schmachtende Erde zurück: Da
wurde Linda, deren Engelsnäherung immer klarer und klarer
schimmerte, von den beiden lauernden Herzens - Banditen in
den schwerbepackten Reisewagen gehoben, der — wie bezeich-
nend ! — als Wappenschild: Satan, an einem Eiszapfen
lutschend, führte. Kalt schmetterte der Postillons - Miethling
eine 'höhnische Fanfare in das herzlose Horn und dahin rasselte
der Wagen, welcher die blasse 9iofe ihrem letzten Ziele ent-
gegentrng.

Nichts Sympathisches, kein Trostwort der Geweihten —
nur Stolz von der einen, bittere Ironie von der anderen
Seite als Dornen — nicht die Rose schützend — nein! sie
blutig verwundend und doch ohne ihr den Seelentod durch
schnellere Vollendung zu erleichtern!

Chamouni war erreicht. — Linda suchte sich bald den
Balsam einsamer Spaziergänge auf, wie sehr auch der väter-
liche Eisblock sic in seinem unbeugsamen Hochmuth der übrigen
Grabeshauch versendenden Gesellschaft zuzuführen sich bemühte.

Hinauf — hinauf zur zuckenden Abendroth - Alm! —
Hinauf zu dem lind kosenden Mattenhauch! Dort weilt Linda
oft lange im süßen Ideenaustausch mit der zart waltenden
Sennerin.

Auf dem Felsen lag aufgeschlagen das Poesie-Album
der veilchenäugigen Bergmaid: Linda bat mit einem innig
flehenden Blick um die durchblätternde, gern gewährte Er-
laubniß.

Der dunkel-schöne Vers einer hohen, deutschen Dichte-
rinnenseele:

Ich sing' und weine leise,

So leise fast wie du;

Du weinst die leise Weise
Und singst wie ich dazu!

O, laß uns beide singen
Derselben Weise Klang,

' Dann wird es leise klingen
Wie weinender Gesang!

den eine sympathische Hand erst vor wenig Sonncnwechseln
dem empfindungslosen Seidenpapier eingeätzt, löste die letzten
Staubkörner des Irdischen von Linda's Jnnerheit und in die
nun blosgelegten Fäden der Netzhaut reinsten Herzthums griff
der kundige Harfnerfinger des wunderfügenden Schicksals. —
Ein ahnender Zephyr, von dem Himmelsduft hundert lindern-
der Alpenkräuter durchrieselt, bog das Blatt und zwei fast
feuchte Zeilen boten sich aphoristisch Linda's zerfließendem Auge:
Wenn des einst'gen Herzens Philomele

In der Abendröthe Hoffnung starrt-

War es anders möglich? Nur Tulibert konnte — durfte
diese Himmelslaute geschrieben haben! — Linda reizte bewußt-
los wollend ihre Augenlider zu mattem Aufschlag — vor ihr
betete der Jüngling selbst in knieendem Sehnen, während sich
hoch unten die Bergthäler mit heiligem Geläut anfüllten und
Schallmeientöne tief oben die dämmernden Schluchtgipfel er-
hellten! — Zum letzten Male regte hier Linda's Genius in
zuckendem Scheideschmerz die Schwingen, uni im Augenblick
darauf für ewig in's sonnenätherische Nichts zu verschwebcn.

„Elender!" zischte der gräfliche Teufel, indem er mit
roher Faust den andächtig Knieendcn empor- und damit zu-
gleich Linda's Seele in Sinnlosigkeit herunterriß. „Du wagst
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Leid und Liebe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Oberländer, Adolf
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Notenschrift
Kuh <Motiv>
Alm <Motiv>
Note <Musik>
Liebe
Weinen <Motiv>
Notenschlüssel
Karikatur
Klavier
Leid
Rind
Pianist <Motiv>
Kopfbedeckung <Motiv>
Satirische Zeitschrift

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Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 52.1870, Nr. 1281, S. 34
 
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